Weihnachtsansprache Wulff bricht mit den Gewohnheiten

(RP). Die Deutschen erleben am Samstag eine Weihnachtsansprache, wie es noch keine zuvor gegeben hat: Christian Wulff sitzt nicht steif am Schreibtisch, sondern steht am geschmückten Baum mit vielen Gästen um ihn herum, und sein zweijähriger Sohn Linus wirbelt durch den Saal.

Wulff lädt ins Bundespräsidentenbüro
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Wer das Staatsoberhaupt besucht, bekommt es gewöhnlich mit vornehmer Etikette zu tun. 190 Berliner erlebten bei der Aufzeichnung der Weihnachtsansprache von Christian Wulff, dass es auch anders geht. "Ich bin Linus, spielst du mit mir?", krähte der zweijährige Sohn des Bundespräsidenten und wirbelte durch die Reihen, während sein Papa gerade in die Kamera schaute und vom Teleprompter die offiziellen Weihnachtswünsche ans Fernsehvolk vortrug.

Schon im Herbst hatte der Papa das Leitthema "Zusammenhalt" gewählt. Je näher die traditionelle Ansprache rückte, desto klarer wurde es Wulff und seinem Team, dass sie zu diesem Thema am besten die zu sich einladen, die für den Zusammenhalt in der Gesellschaft stehen und von denen sie viele bei den zurückliegenden Antrittsbesuchen kennengelernt hatten. Die ursprüngliche Absicht, Gäste aus ganz Deutschland zum Stelldichein unter dem Tannenbaum zu bitten, ließ das Präsidialamt angesichts der Wetterentwicklung fallen, lud stattdessen 190 Berliner zu "Weihnachten bei Wulffs" ein.

Und so standen denn Ehrenamtliche vom Landessportbund neben Oberschülern, Ordensschwestern aus dem Dominicus-Krankenhaus, Pfadfinder neben THW-Helfern und Sanitäter neben Soldaten alle in einem großen Halbkreis zusammen mit 32 Bürgern, die Wulff mit Orden für ihr Engagement ausgezeichnet hatte. Kinder waren ausdrücklich erwünscht, und diese setzten sich spontan auf den großen Teppich im Empfangssaal.

Kurz vor dem Start der Aufzeichnung gab es lediglich zwei Regieanweisungen: "Bitte Handys ausschalten und anschließend nicht klatschen, das ist unüblich." An die erste Bitte hielten sich die Gäste, an die zweite nicht. Denn mit seinen Worten, die Wulff nicht nur ablas, sondern auch frei wählte, hatte er offenbar genau den richtigen Ton getroffen. Jedenfalls bei denen, die er erreichen wollte.

Und es war auch kein Zufall, dass sich der präsidiale Schlussappell ("mehr Zeit für die Familie") auch auf den Sternen am Weihnachtsbaum wiederfand, auf denen Kinder ihre größten Wünsche festgehalten hatten. Sie stammten von Grundschülern aus Moabit, die Wulff zum ersten Advent gebeten hatte, mit ihm den offiziellen Weihnachtsbaum zu entzünden. Bei der "Auswertung" der Sterne war den Mitarbeitern des Präsidialamtes aufgefallen, wie viele vor allem einen Wunsch hatten: "Das die Eltern mehr Zeit mit den Kindern verbringen". Daraufhin baute Wulff das Bedürfnis mit in seine Ansprache ein.

Nach der kurzen Aufzeichnung baten der Bundespräsident und seine Frau Bettina ihre Gäste in die Nachbarzimmer, wo sie beim zwanglosen Plausch nicht nur von den Servicekräften des Amtes bedient wurden. Auch Leander, der siebenjährige Sohn der First Lady aus einer früheren Beziehung, wollte beim Servieren helfen. Schließlich bot der Präsident an, durch die Arbeitsräume zu führen. Dabei peste auch Linus durch die Zimmer, in denen er sich sichtlich zu Hause fühlt, wie sein Teddy auf einem Sessel zeigte.

Am Vorabend der Präsidentenwahl hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende Juni offenbar eine Vorahnung, dass der zehnte Bundespräsident den Amtssitz auf andere Art beleben würde. "Ich stelle mir das wunderschön vor, wenn ein Kinderlachen durch Schloss Bellevue geht", sagte sie den Unionsdelegierten der Bundesversammlung. Die taten sich danach zunächst schwer, Wulff die erforderliche Mehrheit zu geben. Es klappte erst im dritten Anlauf. Aber inzwischen haben sich auch die Bürger an Wulff gewöhnt. Im September waren noch 44 Prozent mit ihm zufrieden, Anfang Dezember schon 60.

Die Wulffs selbst erlebten die Begegnung zur Ansprache als "sehr familiär". So soll es bleiben. Kürzlich hat sich der Präsident eine Holzkiste gekauft: "Da kommen in der Spielecke im Arbeitszimmer die Spielsachen rein."

Die Weihnachtsansprache wird am ersten Feiertag 19.08 Uhr im ZDF und 20.10 Uhr in der ARD ausgestrahlt.

(RP)
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