Reform der Mehrwertsteuer Wolfgang Schäuble zögert noch

Berlin (RPO). Seit Jahren weisen Experten auf das undurchsichtige System der Mehrwertsteuer mit seinen ermäßigten Sätzen hin. Nun will die schwarz-gelbe Koalition die Reform vorantreiben. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble scheint derzeit zu bremsen.

In diesen Fällen ist die Mehrwertsteuer ermäßigt
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In diesen Fällen ist die Mehrwertsteuer ermäßigt

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Foto: AP

Eigentlich ist die Reform der Mehrwertsteuer seit Jahren geplant. Denn die ermäßigte Mehrwertsteuer wird scheinbar äußerst willkürlich angewandt. Krabben und Garnelen fallen beispielsweise darunter, Hummer wird dafür aber voll besteuert, voll besteuert werden Haustiere wie Hunde, Katzen oder Kanarienvögel, auf ihr Futter entfallen dagegen nur sieben Prozent.

Trotz der langjährigen Pläne haben sich die Regierungen mit einer Reform schwer getan. Und ausgerechnet die schwarz-gelbe Koalition, die auf Drängen der FDP noch im vergangenen Jahr den ermäßigten Steuersatz auf Hotelübernachtungen durchgedrückt hat, will sich nun an dieses Mammutprojekt wagen. So mahnt die FDP-Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger in der Zeitung "Die Welt": "Wir wollen schnellstmöglich die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission einsetzen, damit wir noch in dieser Legislaturperiode zu einem Ergebnis kommen."

Rückenwind gbt es auch vom finanzpolitischen Sprecher der CDU, Leo Dautzenberg: "Wir sollten das Projekt einer Neuregelung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes jetzt entschlossen anpacken und diese Frage schnell entscheiden." Das Steuerdickicht müsse gelichtet und der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel, öffentlichen Nahverkehr und Kultur beschränkt werden. Mit den damit verbundenen Mehreinnahmen gewinne die Koalition außerdem den nötigen Spielraum, um die unteren und mittleren Einkommen spürbar zu entlasten.

Unterstützung aus der Opposition

Selbst auf Seiten der Opposition gibt es Unterstützer für die Reformpläne: Die "Welt" zitiert den steuerpolitischen Sprecher der Grünen, Thomas Gambke, dass seine Partei offensichtlich unbegründete Ermäßigungen bei Hotelübernachtungen, Skiliften, Schnittblumen, Überraschungseiern oder Rennpferden abschaffen wolle. Bei einem kompletten Wegfall des ermäßigten Satzes von sieben Prozent müsse aber darauf geachtet werden, dass es für untere Einkommensgruppen einen Ausgleich für Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln oder Kulturgütern gebe. Das aber könne sehr kompliziert werden, weshalb vieles für einen eng umgrenzten Bereich ermäßigter Sätze spreche.

Doch so recht will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Druck seiner Kollegen nicht stattgeben. Am Dienstagabend dämpfte er im ZDF die Erwartungen auf eine grundlegende Reform der Mehrwertsteuersätze. Der Handlungsspielraum für Steuervereinfachungen sei sehr viel geringer, als viele glaubten.

Zudem machte er deutlich, dass es wenig sinnvoll sei, die gerade erst eingeführte Mehrwertsteuersenkung für Hotels nach wenigen Monaten wieder zurückzunehmen. Seiner Meinung nach gebe es auch gute Argumente für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz - etwa den verschärften Wettbewerb mit anderen europäischen Ländern in Grenzgebieten. Die Koalition will in den kommenden Wochen über Änderungen bei der Mehrwertsteuer und speziell bei den ermäßigten Sätzen beraten.

Einem "Spiegel"-Bericht zufolge plädiert ein vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenes Gutachten für die Streichung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent, der unter anderem für Lebensmittel und Kulturgüter gilt. Im Gegenzug solle ein einheitlicher Satz von weniger als 19 Prozent festgelegt werden. Doch offenbar hat das Ministerium die Rechnung ohne ihren Chef gemacht.

(mit Reuters, DAPD)
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