Bundesfinanzminister in der Griechenland-Krise Wolfgang Schäuble — hart kritisiert und beliebt zugleich

Düsseldorf · Auf Plakaten in Athen ist sein Konterfei mit Hitlerbart zu sehen. Von der SPD und der Opposition sowie unter dem Hashtag "#ThisIsACoup" im Netz hagelt es Vorwürfe wegen seines harten Kurses zu Griechenland. Trotzdem: Bei der Mehrheit der Deutschen ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble so beliebt wie nie.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Das legen die Ergebnisse des aktuellen ARD Deutschlandtrends nahe. In einer Blitzumfrage, die am Montagabend veröffentlicht wurde, sagten 64 Prozent der Deutschen, sie seien mit Schäubles Verhandlungsführung zu Griechenland zufrieden. Damit steht der Minister auf der Beliebtheitsskala sogar knapp über der Kanzlerin. Angela Merkels Verhandlungsführung fanden immerhin noch 62 Prozent der Befragten gut. Allerdings hatte Schäubles Beliebtheitswert Anfang Juli mit 70 Prozent seinen vorläufigen Höhepunkt erlebt.

 "Wanted, dead or alive": Dieses Plakat in Athen zeigt Wolfgang Schäuble mit Hitlerbart.

"Wanted, dead or alive": Dieses Plakat in Athen zeigt Wolfgang Schäuble mit Hitlerbart.

Foto: ap

Diese Umfrageergebnisse stehen in einem auffälligen Gegensatz zu der harschen Kritik, die Schäuble derzeit sowohl von deutschen Politikern als auch im Netz entgegenschlägt. Anlass ist sein Vorschlag eines "Grexit auf Zeit", mit dem er am Wochenende in die Verhandlungen zu Griechenland gegangen war. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef, Carsten Schneider, warf dem Bundesfinanzminister daraufhin "schwere Fehler" in Bezug auf seine Verhandlungstaktik vor und nannte seinen Vorschlag, Griechenland sollte die Eurozone zeitweise verlassen, einen "Vertrauensbruch". Schlimmer noch aber sei, dass Deutschland auf Schäubles Betreiben als "Spaltpilz" aufgetreten sei, "der Griechenland aus dem Euro drängen wollte". Zunächst hatte es geheißen, dass der "Grexit auf Zeit" mit SPD-Chef Sigmar Gabriel abgesprochen sei. Als diesem daraufhin allerdings Kritik aus den eigenen Reihen entgegenschlug, erklärte Gabriel, der Plan sei nicht mit ihm abgesprochen gewesen.

Noch deutlichere Worte findet Dietmar Bartsch, der stellvertretende Fraktionschef der Linken: "Dieses Ergebnis der Verhandlungen ist ein deutsches Diktat und nichts anderes als eine Erpressung." Insbesondere Schäuble habe durch sein Verhalten "unheimlich viel Porzellan zerschlagen", fügte Bartsch hinzu. Der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer übte ebenfalls Kritik. Deutschland sei bei den Verhandlungen aus der Rolle gefallen. Statt Integration in Europa zu betreiben, habe das Land eine "herrische Rolle" eingenommen. Der "herzlose, herrische und hässliche Deutsche hat wieder ein Gesicht und das ist das von Schäuble", sagte Bütikofer weiter.

#ThisIsACoup – Twitterer lassen Frust über EU freien Lauf
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Foto: dpa, wst

Regierungssprecher Steffen Seibert bemühte sich nach der Einigung beim Eurogipfel, den Konflikt zum "Grexit auf Zeit" zu relativieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei über Schäubles Vorstoß informiert gewesen und habe geteilt, was der Finanzminister in Brüssel vorgetragen habe. Ein Grexit auf Zeit sei aber nicht Priorität der Bundesregierung gewesen, sondern nur eine Option für den Fall, dass es keine Einigung gegeben und sich auch Griechenland selbst dafür ausgesprochen hätte, sagte Seibert am Montag.

Auf Twitter machten sich Schäubles Gegner unter dem Hashtag "#ThisIsACoup", was auf deutsch so viel wie "Das ist ein Staatsstreich" bedeutet, ihrem Ärger Luft.

"#ThisIsACoup zeigt: Deutschland ist im Begriff, sein Ansehen zu verlieren. #Schäuble fährt Europa an die Wand und #Merkel schaut nur zu", twitterte zum Beispiel ein User. Ein anderer "schämt sich angesichts der Handlungen von Schäuble und Co. dafür, einen deutschen Pass zu besitzen". In einem Tweet wird der Finanzminister als "Totengräber der EU" betitelt.

Immer wieder zogen Nutzer auch Verbindungen zwischen Schäuble und dem Nazi-Regime. Bearbeitete Fotos zeigten Schäuble zum Beispiel mit Nazi-Armbinde. Auch bei Protesten in Griechenland waren zuletzt immer wieder Banner aufgetaucht, auf denen Schäuble mit Hitlerbart abgebildet war. Auf einem der Plakate, das an mehreren Stellen in Athen aufgehängt wurde, stand über einem solchen bearbeiteten Foto: "Wanted. Dead or alive. The neo-nazi criminal Wolfgang Schäuble."

Doch ungeachtet dieser aggressiven Kritik, die Schäuble international entgegenschlägt, kann er sich in Deutschland offenbar bei der Mehrheit der Bevölkerung der Unterstützung für seinen Kurs sicher sein. Auch die Spar- und Reformmaßnahmen finden 57 Prozent der für den ARD-Deutschlandtrend Befragten "angemessen".

(lsa)
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