Kommentar zu Experten-Vorschlag Von neuen Wohnungen auf dem Dach profitieren zunächst Reiche

Meinung | Berlin · Durch Dachgeschossbauten wird neuer Wohnraum geschaffen. Der ist in der Regel aber für die Reichen. Dem sozialen Wohnungsbau nützt das wenig.

 Ein Hotel auf dem Dach eines Parkhauses in Berlin. So könnten auch die neuen Wohnungen aussehen.

Ein Hotel auf dem Dach eines Parkhauses in Berlin. So könnten auch die neuen Wohnungen aussehen.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Architekten, Forscher, Städteplaner wollen im Wortsinn hoch hinaus. Ins Hochhaus. Der eklatante Wohnungsmangel in großen Städten zwingt zu neuen Wegen. Eben nach oben. Ältere Häuser sollen weiter aufgestockt, Parkhausdächer in Kindergärten umgewandelt werden und Supermärkte Bewohner im zweiten Stock bekommen. Verdichtung heißt das Zauberwort. Mehr Menschen können auf ein und derselben Fläche einer Stadt Platz finden. Das Ganze ohne den Bedarf an neuem und teurem Bauland. Denn das ist ja schon bebaut.

In Berlin, Köln, Düsseldorf, München, Hamburg wird es eine Möglichkeit sein, die Wohnraumknappheit einzudämmen. Das Stadtbild wird sich verändern, Autos werden mehr unterirdisch Platz finden, der Abstand zwischen Gebäuden wird kleiner und es wird enger werden. Die Frage ist nur, ob jene davon profitieren werden, die es derzeit am schwersten haben, eine Wohnung zu finden: Die mit dem kleinen Geldbeutel.

Die Experten der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts für Systemforschung räumen ein: Diese Dachgeschosswohnungen werden „Premium-Flächen“ sein. Weiter Blick über die Stadt, Sonne garantiert, wenn sie scheint, dem Himmel ein Stück näher als die, die weiter unten mehr Dunkelheit erleben. Auch finanziell. Die Planer argumentieren zwar, dass für die Neubauten auf den Dächern keine Grundstückspreise mehr anfallen, weil das Grundstück ja schon einmal bezahlt und bebaut wurde. Doch die Ausstattung eines solchen Neubaus dürfte ziemlich exklusiv sein. Jedenfalls zeigten Schaubilder nicht zwei Zimmer, Küche, Bad, sondern Maisonetten mit großen Terrassen, Parkettfußboden und noblen Einbauküchen.

Die Menschen, die sich das leisten können, kommen in der Regel aus Wohnungen, die schon teurer sind. Die Rechnung, dass solche Wohneinheiten dann frei würden für Familien mit niedrigerem Einkommen und die Schaffung dieses zusätzlichen Wohnraums Mieten stabil halte oder sogar senke, dürfte sich als falsch erweisen. So jedenfalls entsteht kein sozialer Wohnungsbau, auf den Millionen Menschen in Deutschland angewiesen sind.

Eines ist aber auch richtig: Der Ruf nach Abrüstung der Bauvorschriften und der Verkürzung sowie Erleichterung der Genehmigungsverfahren. Das muss sowohl für große Investoren als auch für kleine Bauherren gelten. Der Dschungel an Vorgaben, Anforderungen, Fristen und Verboten muss gelichtet werden. Von der Fachsprache und teilweisen Bequemlichkeit der Behörden ganz zu schweigen. Sonst kann jede neue Idee schnell kaputtgeplant werden, auch wenn sie eine noch so sichere Statik hat. Hier ist wie beim Bauen noch Luft nach oben.

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