Wer ist die neue Chefin der NRW-SPD? Woher die Kraft kommt

Mülheim (RP). Neujahrsempfang der SPD Mülheim-Dümpten. Günter Weber steht am Tresen der Begegnungsstätte und erinnert sich. "Die Hannelore hat bei uns im Jugendheim an der Nordstraße Gitarre gelernt", sagt der 71-Jährige. "Ein patentes Mädchen. ,Aus der wird mal was', habe ich schon damals gedacht."

Günter Weber hat Recht behalten. "Die Hannelore" - das ist Hannelore Kraft, die heute beim SPD-Parteitag in Bochum zur Vorsitzenden der NRW-Genossen gewählt werden soll. "Die weiß, wo sie herkommt", sagt der Maschinenschlosser, der zehn Jahre für die SPD im Landtag Politik gemacht hat. "Dümpten - da wohnten die Malocher."

Mounir Yassine ist der stellvertretende Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Dümpten-Süd. Mit Ergebnissen um die 60 Prozent sei der Stadtteil bis heute eine SPD-Hochburg, stellt der 34-Jährige klar. "Vor Schröders Agenda 2010 hatten wir allerdings doppelt so viele Mitglieder", sagt Yassine. Heute hat der Ortsverein noch 300. Immerhin.

Oliver Willems war Juso-Chef von Mülheim, als er Kraft 1994 begegnete. "Sie ist bei uns eingetreten, als wir am Boden lagen", erinnert sich der 40-Jährige. Damals war die Mülheimer SPD nach einem Finanzskandal um ihre Oberbürgermeisterin bei den Kommunalwahlen von 50 auf 40,7 Prozent abgestürzt. Kraft sei von dem früheren SPD-Strategen Bodo Hombach gefördert worden, heißt es. Schnell wurde die forsche Seiteneinsteigerin in den Unterbezirksvorstand gewählt. Als sich abzeichnete, dass bei der nächsten Landtagswahl ein Wahlkreis frei werden würde, warf die Neu-Genossin den Hut in den Ring. "Viele waren damals skeptisch", sagt Frank Esser, SPD-Chef in Mülheim. "Es war nicht üblich, dass jemand ohne ,Stallgeruch' so schnell nach oben kam. Mancher, der die Ochsentour durch die Parteigremien auf sich genommen hatte, fühlte sich gekränkt." Was viele Genossen für undenkbar gehalten hatten, traf ein. In einer Kampfabstimmung setzte sich Hannelore Kraft sensationell gegen den Platzhirschen Ulrich Dörr durch. Der IG-Metall-Geschäftsführer hatte darauf gesetzt, die Betriebsgruppen der Gewerkschaft, die den wichtigsten Machtblock in der Mülheimer SPD bildeten, würden ihn geschlossen unterstützen. Das Rechenspiel ging nicht auf. "Da haben wir den ,Kraft-Effekt' erlebt", sagt Günter Weber und schmunzelt. "Mich hat das nicht gewundert. Schon im Jugendchor stand sie als Jüngste in der ersten Reihe."

In einem Jugendheim trifft sich der Ortsverein Heißen-Heimaterde zum Neujahrsempfang. An den Tischen wird bei Schnittchen und Pils über die Spitzenkandidatin diskutiert. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Dagmar Mühlenfeld, SPD-Oberbürgermeisterin in Mülheim, nickt. Auch sie ist sicher, dass die neue Vorsitzende Ministerpräsident Rüttgers (CDU) aus dem Amt vertreiben kann. "Frauen machen anders Politik als Männer", sagt Mühlenfeld und lächelt. "Sie sind weniger eitel, agieren stringenter."

Klaus Kox ist 1972 in die SPD eingetreten. "Damals regierte Willy Brandt, da wehte ein frischer Wind", erzählt der 64-Jährige. Aufbruchstimmung - die meint er auch jetzt zu spüren. Jemand hat Musik angedreht. Herbert Grönemeyer singt: "Zeit, dass sich was dreht."

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