TV-Talk bei Günther Jauch nach der Bundestagswahl Wo Merkels Kette wieder Hoffnung macht

Berlin · Das Erfolgsrezept der Kanzlerin, das Schicksal der FDP und die Sache mit der AfD - die Runde in Günther Jauchs vorgezogenem Talk am Sonntagabend arbeitete sich an allen großen Themen des Wahlabends ab.

 Klaus Wowereit in der Talkshow von Günter Jauch.

Klaus Wowereit in der Talkshow von Günter Jauch.

Foto: dpa, Paul Zinken

Jauch und seine Gäste standen noch sichtlich unter dem Eindruck des an Überraschungen nicht armen Wahlabends. Es diskutierten Wolfgang Schäuble (CDU), Klaus Wowereit (SPD), FDP-Urgestein Gerhart Baum und TV-Journalistin Bettina Böttinger sowie Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der "Zeit".

Bestimmend war natürlich zunächst das Schicksal der FDP: "Es war eine ganz finstere Woche für die Liberalen", diagnostizierte Giovanni di Lorenzo. Parteichef Philipp Rösler attestierte der Journalist "Hilflosigkeit", Rainer Brüderle habe "müde und alt" gewirkt. Die FDP habe "nicht erklären können, wofür sie in den nächsten vier Jahren da sein" könne und wolle.

Widerspruch hätte man da von di Lorenzos Gegenüber, dem früheren Bundesinnenminister und FDP-Urgestein Gerhart Baum erwartet - aber der sagte: "Ich kann dem nicht widersprechen." Die FDP habe liberale Wähler nicht mehr erreicht, sagte Baum. "Brüderle hat nicht gesagt, was die Liberalen wollen." Er habe nur zum Besten gegeben,was die Liberalen eben nicht wollten. Aber: "Es müssen Ziele vorgegeben werden." Die FDP-Wähler seien deshalb verstärkt zur neuen "Alternative für Deutschland" (AfD) und zur CDU gegangen.

"Es ist eine ganze tiefe Zäsur", sagte Baum und wirkte dabei immer noch sichtlich bewegt vom schlechten Abschneiden der Partei, der er nach eigener Aussage seit über 60 Jahren angehört. "Ich habe mir nie vorstellen können, dass es die FDP auf Bundesebene nicht mehr gibt."

Dass das schlechte Abschneiden der Liberalen auch mit einer Rücksichtslosigkeit der CDU zu tun gehabt haben könnte, wollte Wolfgang Schäuble (CDU) natürlich nicht gelten lassen: "Jeder kämpft für sich allein", sagte der Finanzminister. Die Koalition mit den Liberalen sei gut für das Land gewesen. "Und jetzt müssen wir schauen, dass wir aus diesem Wahlergebnis wieder etwas Gutes für unser Land machen."
Wie macht die FDP also nun weiter? Gerhart Baum stellte die Frage, ob die Partei zu eine konsequenten Veränderung bereit sei: "Ist die endlich bereit, eine wirklich liberale Wählerschaft mit liberalen Themen aufzubauen?"

"Die Menschen glauben dieser Kanzlerin"

Das Erfolgsrezept der Kanzlerin zu ergründen stellte Jauch seiner Runde als nächste Aufgabe. "Diese Art, den Menschen in diesem Land Vertrauen einzuflößen", stellte TV-Moderatorin Bettina Böttinger fest. "Die Menschen glauben dieser Kanzlerin", sagte sie.
Warum Steinbrück aber nun gescheitert sei, darauf hatte Giovanni di Lorenzo eine detaillierte Antwort. Zum einen - gab der Chefredakteur zu - sei der SPD-Kanzlerkandidat in den ersten Monaten seines Wahlkampfs durch den größten Teil der Medien unfair behandelt worden. Erst seit dem TV-Duell habe Steinbrück "frei aufgespielt".

Aber Steinbrück sei das schlechte Wahlergebnis für die SPD nicht anzulasten: "Das lag eher an drei anderen Aspekten", sagte di Lorenzo: Zum einen sei die Kanzlerin aufgrund ihrer Popularität "einfach nicht zu schlagen". Andererseits sei die Wahl aber auch eine Abstimmung darüber gewesen, ob Deutschland so sei, wie die Oppositionsparteien es gezeichnet hätten: tief gespalten, reformbedürfig - oder ob die Deutschen eben so seien, wie die CDU sie gezeichnet habe: zufrieden.

Dazu sei gekommen, dass das politische Angebot der SPD und der Grünen "zu eng" gewesen sei: Zu sehr auf die eigene Klientel gemünzt. Man sei zu wenig in der Lage gewesen, Wähler außerhalb des eigenen Lagers anzusprechen.

Und Steinbrücks Persönlichkeit habe vielleicht auch eine Rolle gespielt: "Steinbrück war ein Solitär. Er war nicht im Einklang mit seiner Partei - wie Frau Merkel es war."

Vertut die SPD eine Machtchance?

Ob die SPD die Chance nicht nutzen könnte, eine eigene Koalition mit Grünen und Linken zu bilden, wollte dann Bettina Böttinger wissen, die sich öffentlich dazu bekennt, sich eine linke Regierung zu wünschen. Sie verstehe nicht, warum sich die SPD diese Option selbst nehme.

Die Antwort gab Klaus Wowereit: "Es gibt Konstellationen, die einfach nicht gehen." Vor der Wahl habe man das schon so gesagt, und das gelte auch nach der Wahl. "Mit der Linken - so, wie sie heute ist - ist eine Regierungsfähigkeit nicht gegeben." "Und: "Es wird mit uns in dieser Konstellation keine Möglichkeit geben, mit der Linkspartei zusammen zu arbeiten."

Lieber kalauerte Wowereit dann: "Die größte Koalitionsdebatte wird zwischen CDU und CSU geführt werden." Er sprach damit den Streit um die Pkw-Maut zwischen den Unions-Parteien an. CDU-Mann Schäuble konterte generös: "Wenn Sie sonst keine Freude heute abend haben, dann gönne ich Ihnen diese." Er hatte die Lacher auf seiner Seite.

AfD - eine Partei "rechts der CDU"?

Und dann kam auch noch die AfD zur Sprache - und zu Wort. Denn AfD-Gründer Bernd Lucke war auch im Studio. Allerdings hatte man ihn nicht aufs Podium geladen. Er durfte vom Publikumsraum aus kommentieren.

Lucke freute sich über das starke Ergebnis, das "ohne jede Form staatlicher Unterstützung" (also keine staatliche Parteienfinanzierung) zustande gekommen sei. Und er prophezeite: "Uns droht kein piratisches Schicksal." denn anders als bei den Piraten trete man in der AfD geschlossen auf.

Dass die AfD eine Partei "rechts der CDU" sei, wie Günther Jauch es formuliert hatte, wies Lucke scharf zurück: Man habe Zulauf aus allen Wählermilieus. Vor allem die kritik am Euro sei Triebfeder der Partei. "Demagogie betreibt der, der sich mit unseren Inhalten nicht auseinander setzt, und uns in die Nähe von NPD und Republikanern rückt."

Jauch nahm das zum Anlass zu fragen: "Was fängt man jetzt in der deutschen Politik mit so einer Partei an?" - Ernst nehmen, war die einhellige Meinung auf dem Podium. Di Lorenzo: "Das Potenzial der AfD ist noch viel größer." Sie sei eine Gefahr für etablierte Parteien, wenn die das Euro-Thema jetzt nicht offensiv besetzten. Die Union habe damit zu spät angefangen.

Und dann gab es noch eine politische Empfehlung von einem, der sonst in ganz anderen Themenbereichen unterwegs ist: Thomas Gottschalk will keine Große Koalition, ließ er über seinen Freund Jauch ausrichten. Der Moderator schlug Schwarz-Grün vor: "Die neue Halskette der Kanzlerin macht mir Hoffnung!"


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(hav)
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