Interview mit Kristina Schröder "WM-Erfolg lässt Geburten steigen"

Berlin (RP). Treibt Jogis Elf Deutschlands Geburtenrate nach oben? Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hofft das und verweist auf die WM vor vier Jahren. Außerdem spricht sie mit unserer Redaktion über Elterngeld, Patriotismus und Panini-Alben.

 Familienministerin Kristina Schröder fiebert bei der WM mit der deutschen Mannschaft mit.

Familienministerin Kristina Schröder fiebert bei der WM mit der deutschen Mannschaft mit.

Foto: Zylla

Heute spielt Deutschland im Achtelfinale bei der Fußball-WM. Sollte der bessere gewinnen oder auf jeden Fall Deutschland?

Schröder Natürlich Deutschland. Ganz klar!

Sind Sie Fußball-Fan?

Schröder Fan ist vielleicht übertrieben. Ich gehöre zu denen, die bei Europa- und Weltmeisterschaften mit Freude die Spiele der deutschen Nationalmannschaft verfolgen. Mein erstes Fußball-Erlebnis ist schon länger her, das war 1990 die WM in Italien.

Sie waren 13 Jahre alt.

Schröder Stimmt, und ich habe damals die Spiele sehr intensiv verfolgt. Ich hatte Fan-Hefte, Panini-Sammelalben, alles was dazugehört. Von den damaligen Spielern fand ich Lothar Matthäus richtig gut. Natürlich weiß ich auch noch, wie Rudi Völler von dem niederländischen Verteidiger Frank Rijkaard bespuckt wurde. So etwas vergisst man nicht.

Sollten die Nationalspieler die Nationalhymne mitsingen?

Schröder Natürlich, warum denn nicht?

Für Sie ist Patriotismus normal?

Schröder Ja, klar! Das Schöne an der Weltmeisterschaft ist doch gerade, dass ein unverkrampfter Patriotismus möglich ist. Das hat man ja auch bei der WM 2006 in Deutschland gesehen. Es ist doch heute kein Problem mehr, wenn man sich die Deutschland-Farben auf die Wange malt oder ein Fähnchen ans Auto hängt. Das ist kein Nationalismus der abgrenzt, sondern ein positives, einladendes Gefühl. Es wäre schön, wenn dieses Gefühl auch über die WM hinaus anhält. Wir Jüngeren sind ja schon lange über die Schwere der Debatte vieler Linksintellektueller hinaus, ob man sich für Deutschland freuen darf. Wir gehen Patriotismus entspannter an - das ist typisch für unsere Generation.

Ein entspannter Patriotismus also. Sind Sie stolz auf Deutschland?

Schröder Stolz kann man nur auf das sein, was man selbst erreicht hat. Aber in einem gewissen, übergeordneten Sinn macht mich beispielsweise die friedliche Revolution der früheren DDR-Bürger stolz. Es freut mich einfach, dass uns Deutschen das gelungen ist.

Kann ein positives Nationalgefühl Zuwanderer besser integrieren?

Schröder Absolut. Ein gesunder, positiver Patriotismus verstärkt Integrationsbemühungen. Integration ist ja nicht graue Theorie, da geht es um Emotionen. Warum sollen Deutsche und Zuwanderer bei einer Einbürgerungsfeier nicht gemeinsam die Nationalhymne singen? Es kann doch nicht sein, dass es beim Überreichen des neuen Passes so feierlich zugeht wie die Übergabe eines Auto-Kennzeichens. Ich wünsche mir auch, dass Zuwanderer bei der Einbürgerung einen Eid auf die Verfassung ablegen. Solche Rituale stiften Identität.

Was vereint uns Deutsche?

Schröder Die Sprache, die Kultur, die Geschichte. Historisch gesehen ist es nicht die staatliche Einheit, die uns zusammen hält, sondern die kulturellen Gemeinsamkeiten. Dazu gehört vor allem die Sprache.

Sollte Deutsch als Sprache ins Grundgesetz aufgenommen werden?

Schröder Ich habe sehr große Sympathien dafür, die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen politischen Forderungen, die das Grundgesetz nur überfrachten, ist die Sprache ein zentrales Charaktermerkmal unserer Nation. Das ist auch in anderen Ländern üblich.

Sie sind ja auch Generationenministerin...

Schröder (lacht) Ich bin dem Namen des Ministeriums nach für alle zuständig - außer für mittelalte, kinderlose Männer.

Für Konservative ist die Familie der Nukleus der Gesellschaft. Es gibt immer weniger klassische Familien, was hält die Gesellschaft zusammen?

Schröder Ich erlebe, dass der Zusammenhalt zwischen den Generationen trotz Scheidungen und Patchwork-Familien so groß ist wie nie zuvor. Das liegt vielleicht gerade daran, dass diese Familien Wunschbeziehungen sind. Ehen halten heute nicht aus finanziellem Zwang zusammen sondern aus freien Stücken. Diejenigen, die in den 1960er und 70er Jahren gesagt haben, die bürgerliche Kleinfamilie ist am Ende, sind krachend gescheitert. Das Familienbild hat sich gewandelt, aber der Zusammenhalt bleibt. Gerade weil junge Eltern mobiler sind, Väter und Mütter öfter ein Kind alleine erziehen, wird die Rolle der Großeltern und Verwandten wichtiger. Die Betreuung der Kinder durch die Großeltern ist vielen Eltern lieber als eine staatliche Betreuung. Das gilt auch für die Pflege. Zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden in der eigenen Familie gepflegt. Das zeigt doch, dass Jung und Alt sehr wohl großes Verständnis füreinander haben und Verantwortung übernehmen..

Die Staatsverschuldung ist horrend. Fürchten Sie nicht Verteilungskämpfen zwischen Jung und Alt, Arbeitnehmern und Rentnern?

Schröder Der Krieg der Generationen ist ein medialer Hype. Sicherlich werden die Verteilungskämpfe zunehmen, aber genau deswegen müssen wir eine ausbalancierte Politik für alle Generationen machen.

Das Elterngeld kann die Demografie auch nicht aufhalten, oder?

Schröder Das wäre auch eine verkürzte Sichtweise. Das Elterngeld erschöpft sich nicht in der Auswirkung auf die Geburtenrate, familienpolitische Leistungen sind schließlich keine Gebärprämie. Die Einführung des Elterngeldes war ein gesellschaftspolitisch überfälliger Schritt, der es Müttern und Vätern erlaubt, Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen. Ob deshalb mehr Kinder geboren werden, wird man frühestens in einem Jahrzehnt beurteilen können. Eine aktuelle Studie der Universität Greifswald zeigt zwar, dass das Elterngeld bei Akademikern eine nennenswerte Auswirkung auf die Geburtenrate hat. Aber noch mal: Ich halte nichts von vorschnellen Schlüssen — und die Geburtenrate ist nicht der Maßstab, mit dem ich den Erfolg des Elterngeldes messe.

Zurück zum Fußball: Welche Rolle spielt der Erfolg der Nationalmannschaft für den Erfolg der Koalition?

Schröder Ob wir Weltmeister werden oder nicht hat sicher Auswirkungen auf die Stimmung im Land — aber die Regierung betrifft das wenig, wir arbeiten natürlich so oder so verlässlich und engagiert weiter. Spannend ist auch die Frage, ob eine erfolgreiche WM eine positive Auswirkung auf die Geburtenrate in diesem Land haben könnte. Das soll nämlich bei der WM vor vier Jahren der Fall gewesen sein. Deswegen würde ich mich auch als Familienministerin besonders darüber freuen, wenn Deutschland Weltmeister wird!

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