Länder fordern mehr Geld Droht dem Deutschlandticket schon wieder das Aus?

Analyse | Berlin · Zum Showdown beim Deutschlandticket wird es bei der Sonderkonferenz der Verkehrsminister nicht kommen, da Bundesminister Volker Wissing gar nicht teilnimmt. Von ihm wollen die Länder mehr Geld für den Fahrschein – er sei „sehr erstaunt“, sagt Wissing.

 Fahrgäste warten im Bahnhof auf eine Regionalbahn.

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Foto: dpa/Stefan Sauer

Mit einem Ergebnis rechnet irgendwie keiner. Manch einer spricht im Vorfeld der Sonderverkehrsministerkonferenz zum Deutschlandticket an diesem Donnerstag sogar von „Scheingefechten“, die zum jetzigen Zeitpunkt um die Finanzen geführt würden. Es heißt, viel wichtiger seien die Herbstkonferenz der Länderminister mit dem Bund Mitte Oktober und dann die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler. Dass dem so ist, dafür spricht, dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) an dem digitalen Treffen nicht teilnehmen wird. Der Termin sei nicht abgesprochen gewesen, bestätigte eine Sprecherin unserer Redaktion. Wissing fehlt also. Ausgerechnet der Mann, der mehr Mittel lockermachen soll, der aber ohnehin nicht gut auf die Länder zu sprechen ist.

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Denn der Kampf ums Geld und damit um die Zukunft des 49-Euro-Fahrscheins ist zum Ärger des Liberalen schon wieder eröffnet. Nachdem man bereits Monate um den seit Anfang Mai gültigen Nachfolger für das beliebte 9-Euro-Ticket mühevoll gerungen hatte. Die Länder wollen mehr vom Bund, und sie brauchen wohl auch mehr, um das Billig-Angebot für den ÖPNV quer durchs Land einigermaßen aufrechterhalten zu können.

Bislang ist es so: Bund und Länder schießen bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu. Im ersten Jahr sollen mögliche Mehrkosten zur Hälfte geteilt werden – diese „Nachschusspflicht“ ist aber von 2024 an offen. Die Länder sehen daher jetzt den Bund in der Pflicht und drängen auf eine zeitnahe Lösung. Bei ihrem Treffen wollen sie ihr weiteres Vorgehen abstimmen. Macht Wissing die Schatulle nicht erneut auf, oder besser, sein Parteifreund Finanzminister Christian Lindner, drohen einige Länder bereits mit dem zügigen Aus für den Fahrschein. Das wäre dann ein Debakel.

Ein Entgegenkommen des Bundesministers ist derzeit aber nicht in Sicht. Er erteilt den Forderungen seiner Ministerkollegen eine Absage. Wissing sagte unserer Redaktion: „Es gibt einen klaren Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zu den Finanzierungsfragen des Deutschlandtickets. Ich bin deshalb sehr erstaunt darüber, dass behauptet wird, es gebe bis 2025 noch offene Fragen.“ Wissing weiter: „Aus Sicht des Bundes gibt es keinen Anlass, das erfolgreiche Deutschlandticket infrage zu stellen.“ Vielmehr schade die Debatte dem ÖPNV, „der sich dank des Tickets gerade auf Modernisierungskurs befindet und schon jetzt deutlich an Attraktivität gewonnen hat“. Aus Wissings Ministerium ist zudem zu hören, die Beschlusslage gelte für Bund und Länder. „Adressat für die von den Ländern aufgeworfenen Fragen wären deshalb die Ministerpräsidenten.“

Rückendeckung erhält Wissing aus der FDP-Fraktion. Verkehrsexperte Bernd Reuther sagte unserer Redaktion, der Bund unterstütze die Länder in diesem Jahr auch mit 12,4 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln, die in der Vergangenheit bereits mehrfach angehoben worden seien. „Laut Bundesrechnungshof haben viele Länder Regionalisierungsmittel nicht vollständig für den ÖPNV ausgegeben, sondern Rückstellungen gebildet“, so Reuther. „Es kann nicht sein, immer mehr Geld vom Bund zu fordern und diese dann nicht zu nutzen.“

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Druck bekommt Wissing allerdings nicht nur von den Ländern. Der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Detlef Neuß, betonte auf Nachfrage: „Wenn Herr Wissing sagt, die Finanzierung ist Sache der Länder, dann verweise ich darauf, dass das Ticket eine Idee des Bundes gewesen ist.“ Schon jetzt sei klar, erläuterte Neuß, dass durch höhere Personalkosten und die Inflation drei Milliarden Euro von Bund und Ländern für das Ticket nicht ausreichen würden. „Die Kosten werden im kommenden Jahr wohl bei vier Milliarden liegen.“ Mit einem Aus des Fahrscheins rechne er aber nicht. „Den Shitstorm kann sich kein Politiker leisten“, so Neuß. Durchaus vorstellbar sei aber, dass der Preis von 49 auf 59 Euro steige.

Das wiederum wolle man verhindern, so die saarländische Ministerin Petra Berg (SPD). Nach einem knappen halben Jahr schon an der Preisschraube zu drehen, sei „ein denkbar schlechtes Signal“. Die Länder jedenfalls „sind weiterhin bereit – wie vereinbart – ihren Anteil von 50 Prozent der Kosten zu übernehmen“, so Berg zu unserer Redaktion.

Auf der Tagesordnung der Konferenz steht übrigens auch noch ein zweites Thema: das bundesweite Semesterticket. Auch hier drängen die Länder Minister Wissing zum Handeln. Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, NRW-Ressortchef Oliver Krischer (Grüne), betonte auf Nachfrage: „Drei Millionen Studierende in Deutschland warten seit Monaten darauf, dass ihr Semesterticket in das Deutschlandticket integriert wird.“ Die Länder hätten einen Vorschlag dazu gemacht, der den Bund keinen Cent koste. „Im Gegenteil: Die Gesamtkosten für das Deutschlandticket werden durch den Ländervorschlag um einen höheren zweistelligen Betrag reduziert, weil mit den Studierenden eine große Zahl an Kundinnen und Kunden für das Ticket gewonnen werden kann“, so Krischer. Es gebe aber immer noch keine Rückmeldung des Bundesverkehrsministeriums. „Inzwischen mussten etliche Universitäten und Hochschulen ihre bisherigen Semestertickets kündigen oder sind dabei, das zu tun“, warnte der Grüne.

(has)
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