Das Flughafen-Debakel in Berlin "Wir wollen personelle Konsequenzen sehen"

Berlin · Bis zur Niedersachsen-Wahl will die SPD einen Führungswechsel in Berlin verhindern. Die CDU scheut den offenen Machtkampf. Der Chefhaushälter der Union, Norbert Barthle, hat eine schonungslose Aufklärung der Missstände am Berliner Großflughafen gefordert. "Alle Fakten müssen auf den Tisch". Die Geduld sei aufgebraucht.

Die Verantwortlichen des Flughafen-Baus
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Foto: dapd, Timur Emek

Die Drähte zwischen den Berliner SPD-Politikern im Abgeordnetenhaus und den SPD-Politikern im Bundestag und der Bundesparteizentrale glühten am Dienstag. Das Debakel rund um den Hauptstadt-Flughafen BER droht Klaus Wowereit, den SPD-Bürgermeister im Rang eines Ministerpräsidenten, aus dem Amt zu kippen. Nicht nur die Opposition fordert das, auch in der SPD wächst der Unmut. Und mehrere Berliner Zeitungen legten Wowereit ebenfalls den Rückzug nahe.

Krisenmanagement ist gefragt

Krisenmanagement ist also angesagt. Für die SPD, die unter dem Chaos-Start ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück leidet, wäre ein Rücktritt Wowereits zwei Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen der GAU, zumal mit Matthias Platzeck als Ministerpräsident Brandenburgs und neuem Aufsichtsrats-Chef des Airports ein weiterer SPD-Politiker unter Beschuss steht. Platzeck war einst Parteivorsitzender. Die Devise lautet nun: die Reihen dicht halten. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, die SPD stehe geschlossen hinter Wowereit.

Doch hinter den Kulissen arbeiten die Genossen in Berlin längst an einer Lösung ohne den einst so populären SPD-Politiker Wowereit. So sollen sich Unterhändler der Berliner CDU und der Berliner SPD am Montagabend auf die beliebte Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) als mögliche Nachfolgerin geeinigt haben. Die ruhige, erfahrene Politikerin wird von beiden Seiten geschätzt. Überlegungen in der CDU, das Bündnis mit der SPD platzen zu lassen und auf Neuwahlen zu setzen, scheiterten am Widerstand von CDU-Chef und Innensenator Frank Henkel. Die Einigung auf Kolat habe Charme, heißt es in der Koalition. Als erste türkischstämmige Ministerpräsidentin würde die 46-Jährige die Weltoffenheit der Hauptstadt repräsentieren und könnte die Schlagzeilen über den Flughafen vorerst vergessen machen.

Druck auf Wowereit wächst

Der Druck auf Klaus Wowereit wächst unterdessen aber auch von Bundesseite. Die schwarz-gelbe Koalition forderte die Länder Berlin und Brandenburg auf, gemeinsam eine schonungslose Analyse der Planungsfehler vorzunehmen. "Alle Fakten müssen auf den Tisch. Wir brauchen endlich umfassend Klarheit über die tatsächliche Lage in Schönefeld. Unsere Geduld mit der Flughafen-Gesellschaft ist erschöpft", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Barthle. "Wir wollen personelle Konsequenzen sehen. Der Bund sollte überdies Regressforderungen gegenüber dem Generalplaner, Baufirmen sowie der Geschäftsleitung prüfen", sagte Barthle.

Auch die Grünen, enttäuscht von Wowereits Koalition mit der CDU, nehmen den Bürgermeister verschärft ins Visier. Das Flughafen-Debakel soll nach einem Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Haushaltsausschusses kommende Woche stehen. Auf seiner letzten Sitzung im Dezember hatten die Haushälter nur die Hälfte der 169 Millionen Euro freigegeben, die der Bund an den bislang aufgelaufenen zusätzlichen Baukosten für den Flughafen übernehmen sollte. Einen Ausstieg des Bundes, der mit 26 Prozent an der Betreibergesellschaft des Airports beteiligt ist, schloss Norbert Barthle aber aus. "Wenn der Bund ausstiege, wäre das Projekt insgesamt gefährdet."

Sorge vor neuem Gutachten

Neues Ungemach droht durch ein Gutachten: Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft soll im Auftrag des BER-Aufsichtsrats untersuchen, ob und inwieweit die Geschäftsführung des BER den Aufsichtsrat zu spät oder unzureichend über Planungsfehler und mangelnde Baufortschritte informiert hat. Der Auftrag für das Gutachten soll in Kürze erteilt werden, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums.

In dem Gutachten sollten die Verantwortlichkeiten aller, auch die der Aufsichtsratsmitglieder, durchleuchtet werden. "Es geht um haftungsrechtliche Fragen. Sollte man Herrn Schwarz (Rainer Schwarz, Geschäftsführer des Flughafens; Anm. d. Red.) Verfehlungen rechtswirksam nachweisen können, hätte dies natürlich auch Auswirkungen auf seine Abfindung", sagte der Sprecher. Verkehrsminister Peter Ramsauer dringt seit Monaten auf die Ablösung von Schwarz. Der Aufsichtsrat müsse in seiner nächsten Sitzung zudem dafür sorgen, dass "ein echter Vorsitzender der Geschäftsführung berufen wird", sagte der Sprecher Ramsauers. Zudem werde der Aufsichtsrat einen neuen Finanzvorstand installieren.

Hoffnung der SPD

Die Dauerpannen beim Großflughafen, der ursprünglich im Juni 2012 eröffnet werden sollte, dürften den Steuerzahler weitere Millionen kosten. Allein wegen verlorener Einnahmen aus Flughafengebühren und Mieten entgehen der Betreibergesellschaft monatlich fünf bis 20 Millionen Euro. Hinzu kommen Mehrkosten durch bauliche Veränderungen. Experten rechnen insgesamt mit monatlich mindestens 25 Millionen Euro, die durch die Verschiebung der Eröffnung anfallen dürften. Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter, beziffert die Mehrkosten insgesamt sogar auf etwa eine Milliarde Euro.

In der SPD hofft man, dass Klaus Wowereit bis zum 20. Januar die Angriffe überstehen und sich im Amt halten kann. An dem Tag sind Wahlen in Niedersachsen. Noch liegt Rot-Grün in Umfragen dort vorne

(RP/csi)
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