Parteitag der Grünen in Freiburg "Wir sind keine Wohlfühl-Partei"

Freiburg (RPO). Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat ihre Partei davor gewarnt, sich durch die guten Umfragewerte zu einem Kurswechsel verleiten zu lassen. Die Grünen seien die Partei der "linken Mitte", sagte Künast am Samstag auf dem Grünen-Parteitag in Freiburg. Die Delegierten wählten Claudia Roth mit 79,3% und Cem Özdemit mit 88,5% erneut an ihre Spitze.

Freiburg: Die Grünen feiern sich als Protestpartei
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Roth wurde am Samstag als Vorsitzende wiedergewählt. Die 55-Jährige erhielt 79,3 Prozent der Stimmen. Eine Gegenkandidatin hatte sie nicht. Seit 2004 bildet sie mit wechselnden Partnern das Führungsduo der Grünen. Auch zwischen 2001 und 2002 stand sie schon an der Spitze der Partei. Bei ihrer Bestätigung im Amt 2008 hatte Roth noch 82,7 Prozent der Stimmen erhalten.

Auch Ko-Chef Özdemir bleibt für weitere zwei Jahre an der Spitze seiner Partei. Der 44-Jährige erhielt 88,5 Prozent der Stimmen. Die Grünen hatten Özdemir 2008 zum ersten Wahl in den Parteivorsitz gewählt. Damals bekam er 79,2 Prozent der Stimmen.

Unter Beifall der Delegierten sagte Künast in ihrer Rede: "Wir haben einen Platz im Parteienspektrum, da sind wir, und da bleiben wir." Die Juristin bewirbt sich bei den Senatswahlen im kommenden Jahr in Berlin um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin.

"Mut schreibt man grün"

Künast wies in ihrer Rede Vorwürfe zurück, die Grünen seien eine reine "Wohlfühl-Partei". "Wir sind eine Konzeptpartei, die entwickelt, wie es geht", sagte die Fraktionschefin. "Mut schreibt man grün", rief sie vor den Delegierten und fügte hinzu: "Das Soziale und Ökologische, das bringen wir zusammen." Die von den Grünen verlangte Förderung der erneuerbaren Energien bringe Millionen neuer Jobs. "Die Frage lautet nicht, wer bezahlt die grüne Politik, sondern wer zahlt eigentlich, wenn wir nichts tun", sagte Künast.

Kritik an Rösler

Scharf kritisierte Künast auch die Politik von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) als sozial unausgewogen. Durch die Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung habe eine durchschnittliche Familie ihren Jahresurlaub verloren. "Weg mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft im Gesundheitssystem", rief Künast den Delegierten zu. Sie warb zugleich für das Modell einer Bürgerversicherung, das Selbständige und Beamte einbeziehen soll.

Gegen "Stuttgart 21"

Einmütig haben sich die Delegierten in Freiburg hinter den Widerstand gegen den umstrittenen unterirdischen Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs gestellt. "Wir Grüne setzen alles daran, um aus dem Projekt Stuttgart 21 auszusteigen", heißt es in dem Beschluss vom Samstag. "Stuttgart 21 würde das Nadelöhr der Zukunft werden, ein Engpass für den Bahnverkehr", sagte der Grünen-Spitzenkandidat für die baden-württembergische Landtagswahl im März, Winfried Kretschmann. "Der Stopp des Projekts ist notwendig und erfordert Mut. Den bringen wir mit", sagte er.

Trotz guter Umfragewerte vermied es Kretschmann in seiner Rede, Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten zu erheben. Die Wahl sei eine "wichtige Richtungsentscheidung", bei der es um die Modernisierung des Landes gehe, sagte er lediglich. Für den Fall eines Wahlsieges kündigte er einen neuen Politikstil an. "Wir ften im Einsatz haben. Demokratie", verlangte Kretschmann.

"Wir brauchen auch eine gesellschaftliche Mehrheit für wichtige Projekte, nicht nur eine parlamentarische." Auch das Parlament solle aber wieder gegenüber der Regierung gestärkt werden.

Union in die Opposition

Der CDU-geführten Landesregierung warf Kretschmann in seiner Parteitagsrede vor, berechtigte Einwände und Bedenken der Bevölkerung gegen Stuttgart 21 jahrelang nicht ernst genommen zu haben. Sonst hätte sich die jetzige Situation vermeiden lassen. "Es ist an der Zeit, dass die Schwarzen in der Opposition landen", sagte Kretschmann zudem der "Badischen Zeitung" vom Samstag.

Auf dem Parteitag kündigte er an, ein offener Dialog zwischen Staat und Bürgergesellschaft wie in der aktuellen Schlichtung zu Stuttgart 21 unter Vorsitz des CDU-Politikers Heiner Geißler solle künftig zur gängigen Praxis werden.

(AFP/dapd)
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