Interview mit Sachsens Ministerpräsident Milbradt (CDU) Wir brauchen ein Wahlrecht für Kinder

Berlin (RPO). Sachsens Ministerpräsident Milbradt (CDU) spricht im Interview mit unserer Zeitung über seine Enttäuschung über die Gesundheitsreform und die Zukunft der Familienpolitik in Deutschland. Seine Forderung: ein Wahlrecht für Kinder.

Kinderbetreuungskosten - steuerlich sehr kompliziert
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Foto: gms

Sachsen hat der Gesundheitsrefomnicht zugestimmt. Fühlen Sie sich von Ulla Schmidt über den Tisch gezogen?

Milbradt Wir bedauern, dass man auf die regionalen Unterschiede nicht stärker eingegangen ist. Deswegen haben wir ein Zeichen gesetzt und uns im Bundesrat enthalten. Ich hoffe, dass regionale Besonderheiten in Zukunft besser beachtet werden.

Ziehen Sie eine Lehre aus dem Hickhack um die Gesundheitsreform?

Milbradt Es hat ständig Änderungen gegeben, über Nacht ist vieles entschieden worden. Dann gab es eine Anhörungen mit einer Dauer von 68 Stunden. Ich habe bei solchen Verfahren immer ein ungutes Gefühl. Das erinnert mich an die Hartz-Gesetzgebung, wo es auch zu temporeich zuging. Zudem stand die Frage der kurzfristigen Liquidität bei der Gesundheitsreform zu sehr im Vordergrund. Überall hat man versucht, noch Geld einzutreiben, auch dort, wo es problematisch ist. Ich glaube, dass es durch die Reform zu einem Krankenhaussterben kommen wird.

In einer älter werdenden Gesellschaft steigen die Gesundheitskosten. Wie sollte sich Deutschland darauf einstellen?

Milbradt Wir sind von dem demographischen Wandel in doppelter Form betroffen, zum einen wegen der niedrigen Geburtenrate, zum anderen, weil unsere Sozialsysteme ganz überwiegend durch Umlage finanziert werden und damit nicht demographiefest sind. Die jeweils arbeitende Generation muss alle Lasten tragen. Das müssen wir ändern. Im Rentensystem ist mit "Riester" ein Anfang gemacht. Nun braucht die Pflegeversicherung eine kapitalgedeckte Säule.

Milbradt Das ist noch nicht entschieden. Wir werden aber nicht umhin kommen, die heute erwerbstätige Generation stärker zu belasten, damit die künftigen Generationen stärker entlastet werden können.

Wird sich die Linie von Familienministerin von der Leyen in der CDU durchsetzen?

Milbradt Ja. Aber die Kinderbetreuung soll nur ein Angebot sein, um Familien zu helfen. Im Mittelpunkt muss das Kindeswohl stehen. Die Erziehung in den Kindereinrichtungen ist nicht das allein Seligmachende. Denn auch das am besten ausgebaute System kann Defizite in den Familien nicht vollständig kompensieren.

Was muss sich im Sinne einer kinderfreundlichen Gesellschaft noch ändern?

Milbradt Betreuung und Bildung müssen stärker vernetzt werden. Und wir brauchen mehr Optimismus. Optimistische Gesellschaften haben höhere Kinderzahlen. Zudem fehlt uns ein kinderfreundliches Umfeld. Es darf einfach nicht sein, dass Kinderspielplätze von Städtebauern als störend, weil als Lärmquelle gesehen werden.

Milbradt Wir müssen noch weitergehen. Ich bin dafür, ein Wahlrecht für Kinder einzuführen, das Eltern für sie stellvertretend wahrnehmen könnten. Wenn auf einen Schlag 14 Millionen Stimmen mehr für Kinder da sind, dann würden die Parteien ganz andere Programme schreiben.

(RP)
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