Neue Juso-Vorsitzende im Gespräch „Wir bleiben der linke Stachel“

Düsseldorf (RP). Franziska Drohsel (27) ist die neue Vorsitzende der Jungsozialisten. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt sie, dass die Jusos auch weiterhin eine Politik der sozialen Gerechtigkeit fordern wollen und was sie von Gerhard Schröders Agenda 2010 hält.

Sie waren gerade ein paar Tage im Amt, da hagelte es Rücktrittsforderungen wegen Ihrer Mitgliedschaft in der "Roten Hilfe". Waren Sie überrascht?

Drohsel In der Tat hat mich die Heftigkeit überrascht. Mir geht es jedoch darum, dass die Jusos mit ihren Positionen und nicht aufgrund meiner privaten Mitgliedschaft in einem Verein, der Rechtsbeistand zum Beispiel für Verhaftete bei linken Demonstrationen organisiert, wahrgenommen werden. Darum bin ich ausgetreten.

Hat Kurt Beck Ihnen dazu geraten?

Drohsel Meine Entscheidung ist nicht auf Druck der Parteiführung entstanden, aber natürlich holt man sich im Vorfeld einer solchen Entscheidung auch politischen Rat.

Wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Drohsel Wir Jusos definieren uns auch weiterhin als ,linker Stachel' in der SPD. Wir wollen auf Missstände aufmerksam machen und eine Politik der sozialen Gerechtigkeit stärker ins Bewusstsein setzen.

Was heißt das konkret?

Drohsel Zum Beispiel setzen wir uns für eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze - über einen reinen Inflationsausgleich hinaus - ein. Wir müssen Kinderarmut als ein zentrales Problem in unserer Gesellschaft begreifen und entsprechende Rahmenbedingungen ändern. Das geht nicht nur über die Einführung eines Kinderzuschlags beim ALG II, sondern auch über den Ausbau der frühkindlichen Förderung. Wir setzen uns für die Gesamtschule ein. Ansätze gibt es ja schon, etwa in Berlin.

Juso-Forderungen wie die Einführung der Vermögensteuer oder eine Ausbildungsplatzabgabe haben in der SPD keine Chance.

Drohsel Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir dafür weiterhin kämpfen. Es kann nicht sein, dass jedes Jahr im Herbst 30000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz haben. Freiwillige Vereinbarungen haben nichts gebracht. Auch die Vermögensteuer bleibt auf der Tagesordnung.

Dann geht Ihnen der Kompromiss bei der Erbschaftsteuer nicht weit genug?

Drohsel Ja, in der Tat, wir hätten uns eine Verdopplung des Erbschaftsteueraufkommens von vier auf acht Milliarden Euro gewünscht.

Einer ihrer Vorgänger im Amt als Juso-Vorsitzender, Gerhard Schröder, hält die Agenda 2010 für eine große Leistung. Sind Sie auch stolz darauf?

Drohsel Nein, ich habe Teile der Agenda immer kritisiert und halte sie auch weiterhin für kritikwürdig. Die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe war richtig, aber die Umsetzung trifft die sozial Schwachen über Gebühr.

In ihrem Berliner Landesverband arbeiten Sie eng mit linken Organisationen und der Linkspartei zusammen. Ist die Linkspartei auch im Bund koalitionsfähig?

Drohsel Wir treten für einen offenen, unkomplizierten Umgang mit der Linkspartei ein. Im Berliner Senat zeigt sich, dass die Arbeit mit den Linken gut funktionieren kann. Aber Koalitionsmodelle auf Bundesebene derzeit zu diskutieren, halte ich für nicht zielführend.

Trotzdem: Wenn Sie zwischen einer Neuauflage der großen Koalition und Rot-Rot-Grün wählen können...

Drohsel ...dann sage ich dazu, dass die Frage heute nicht ansteht. Außenminister Frank-Walter Steinmeier liegt in den Umfragen regelmäßig vor Kurt Beck. Wird Kurt Beck Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten? Drohsel Kurt Beck wird sich zu gegebener Zeit dazu äußern, und das bleibt abzuwarten.

Michael Bröcker führte das Gespräch.

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