„Wilhelminisches Weltbild“ SPD und Union streiten immer heftiger um Sicherheitspolitik

Berlin · Außen- und Sicherheitspolitik waren mal die Brücken, über die Koalitionsparteien zueinander fanden. Seit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin Sicherheitspolitik definiert, ist die SPD auf dem Baum. Beide legen nun noch einmal nach.

 Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu Beginn einer Sitzung des Bundeskabinetts.

Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu Beginn einer Sitzung des Bundeskabinetts.

Foto: AP/Michael Sohn

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat den Streit zwischen Union und SPD auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik erneut angeheizt. Was die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin bei ihrer jüngsten sicherheitspolitischen Grundsatzrede als Ziel ausgegeben habe, erinnere ihn „an das wilhelminische Weltbild“, sagte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Damit ist die Koalition nun auch auf dem Kanonenboot angekommen. Als Kanonenbootpolitik wird vor allem das Vorgehen der Staaten auf dem Höhepunkt des Imperialismus bezeichnet, mit Hilfe militärischer Machtdemonstration eigene Interessen auch in entfernteren Gegenden der Welt durchzusetzen.

Auch Mützenich sprach als Vergleich mit Kramp-Karrenbauers Münchner Rede den Versuch des wilhelminischen Deutschland an, noch einen „Platz an der Sonne“ zu erhaschen. Dieses Mal gehe es zwar nicht um deutsche Kolonien, aber um militärische Präsenz in weit entfernten Räumen. „Das widerspricht allen sicherheitspolitischen Vorstellungen der SPD“, unterstrich der Fraktionschef, der zuvor lange als Außenpolitiker der SPD gearbeitet hatte.

Vor angehenden Offizieren hatte Kramp-Karrenbauer in der vergangenen Woche an der Bundeswehrhochschule darauf verwiesen, dass Deutschland neben China führend in der internationalen Containerschifffahrt und deshalb auf „freie und friedliche Seewege angewiesen“ sei. Die Partner im Indo-Pazifischen Raum, allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien, fühlten sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt und wünschten sich deshalb ein klares Zeichen der Solidarität für geltendes internationales Recht, für unversehrtes Territorium und für freie Schifffahrt. „Es ist an der Zeit, dass Deutschland auch ein solches Zeichen setzt, indem wir mit unseren Verbündeten Präsenz in der Region zeigen“, hatte Kramp-Karrenbauer hinzugefügt.

Kaum eine Äußerung Kramp-Karrenbauers sei „wirklich durchdacht“, kritisierte nun Mützenich. Es sei zumindest naheliegend, dass die „inzwischen wöchentlich abgefeuerten außenpolitischen Vorschläge auch der innenpolitischen Profilschärfung der CDU-Chefin dienen sollten“. Mützenich kritisierte, dass nicht abgestimmte Vorschläge bei einem Teil ihrer Anhängerschaft ankommen mögen, das aber zu „permanenter Unruhe“ führe. „Ich appelliere an Frau Kramp-Karrenbauer, künftige Alleingänge zu unterlassen“, erklärte der SPD-Fraktionschef. Es gehe hier nicht um Kleinigkeiten oder Stilfragen in der Kommunikation. „Am Ende geht es um das Leben und Sterben von Menschen“, mahnte der SPD-Politiker.

„Die Aussagen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Mützenich konterkarieren den Münchner Konsens von 2014“, kritisierte der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt. Damals hätten Bundespräsident Joachim Gauck, SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen übereinstimmend bekräftigt, dass Deutschland bereit sei, international mehr Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik zu übernehmen. Wenn Mützenich Kramp-Karrenbauer nun einen „Paradigmenwechsel“ vorwerfe, falle dies auf ihn selbst zurück, denn er gehe hinter den Münchner Konsens zurück.

Kramp-Karrenbauer hat nach Überzeugung von Hardt das Versprechen an die Partner mit konkreten Vorschlägen hinterlegt. Er nannte die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates, die Stärkung des Engagements für eine Syrien-Friedenslösung und die Sicherung der Offenheit der Weltmeere auf der Basis internationalen Rechts. „Auf solche Vorschläge haben wir lange gewartet“, sagte Hardt unserer Redaktion. Auch Heiko Maas plädiere für die Kraft des Multilateralismus. Wenn multilarerale Regeln aufrecht erhalten werden sollten, müssten diese auch durchgesetzt werden. „Offensichtlich ist die SPD nicht mehr in der Lauge, auf dem wichtigen Feld der Außen- und Sicherheitspolitik geschlossen aufzutreten“, warf Hardt dem Koalitionspartner vor.

Schon zuvor waren SPD und Union heftig aneinandergeraten, als Außenminister Heiko Maas Seite an Seite mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu ausgerechnet in Ankara Kramp-Karrenbauers Initiative für eine international garantierte Sicherheitszone in Nordsyrien als „nicht realistisch“ zurückwies. Zuvor hatte Maas noch den türkischen Einmarsch in Syrien als Bruch des Völkerrechts kritisiert. CDU-Außenexperte Norbert Röttgen nannte diesen Maas-Auftritt einen „peinlichen Moment deutscher Außenpolitik“. Maas war verärgert darüber, dass Kramp-Karrenbauer ihren Vorstoß ihm vorab nur mit einer SMS angekündigt, aber nicht mit ihm abgestimmt hatte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort