Nach der vertagten Entscheidung in der Länderkammer Sichere Herkunft - unsicherer Bundesrat

Berlin · Werden beschleunigte Asylverfahren nun ganz neu aufgerollt? Koalitionsregierungen mit Grünen-Beteiligung stoppen die Abstimmung im Bundesrat und denken über andere Regelungen nach.

 4681 Asylverfahren bearbeitete das Flüchtlingsbundesamt im vergangenen Jahr von Menschen aus Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien - 130 bekamen Schutz zugesprochen.

4681 Asylverfahren bearbeitete das Flüchtlingsbundesamt im vergangenen Jahr von Menschen aus Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien - 130 bekamen Schutz zugesprochen.

Foto: Endermann, Andreas

Die mit Spannung erwartete Entscheidung des Bundesrates über weitere sichere Herkunftsstaaten ist kurz vor Beginn der Sitzung vertagt worden. Der Bundestag hatte mit großer Mehrheit Georgien und die Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien als sicher qualifiziert, weil nur ein verschwindend geringer Anteil der Asylbewerber aus diesen Herkunftsländern einen Schutzanspruch erhält und alle weiteren Verfahren auf diese Weise abgekürzt werden können. Doch weil auch die Länderkammer dieser Veränderung zustimmen muss, konnten die Grünen mit ihrem Einfluss in den Landesregierungen das Projekt stoppen.

Auf Antrag des von Linken, SPD und Grünen regierten Bundeslandes Thüringen war die Entscheidung kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden. Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow erklärte, dass eine Entscheidung noch an diesem Freitag „kein richtiger Weg“ gewesen wäre. Entweder hätte es dafür keine Mehrheit gegeben und damit auch keine Lösung. Oder er hätte zugestimmt und dann „98 Menschen sofort ein Arbeitsverbot“ geben müssen. Thüringen sprach sich stattdessen dafür aus, nicht nur über sichere Herkunftsstaaten zu reden, sondern den gesamten Komplex Asyl, Einwanderung und langjährig Geduldete mit der Bundesregierung zu diskutieren und zu praktischen Lösungen zu kommen.

Die FDP kritisierte die Vertagung scharf. „Die Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten ist längst entscheidungsreif“, sagte FDP-Chef Christian Lindner unserer Redaktion. Die Mehrheit der Deutschen dränge darauf. Wenn es Gesprächsbedarf gebe, dann gehöre die Sache in den Vermittlungsausschuss. „Für taktische Spielchen haben wir keine Zeit“, unterstrich Lindner. Deshalb erwarte er eine Abstimmung in der nächsten Sitzung des Bundesrates.

Das grün-schwarz-regierte Baden-Württemberg hatte sich als einziges von den Grünen mitregiertes Bundesland bereit erklärt, das Gesetz mitzutragen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sah den Bedenken der Grünen durch einen zusätzlichen Passus im Gesetzentwurf Rechnung getragen, wonach es für besonders verletzliche Gruppen von Asylbewerbern eine spezielle Rechtsberatung geben soll. Außer Baden-Württemberg hätte jedoch ein weiteres Land unter Grünen-Einfluss zustimmen müssen.

Die FDP in Schleswig-Holstein, die in Kiel mit der CDU und den Grünen in einem Jamaika-Bündnis regiert, begrüßte die Vertagung. Der FDP-Migrationsexperte Jan Marcus Rossa sagte, jetzt gebe es Gelegenheit, ein gemeinsames System zu entwickeln, in dem nur für solche Kriterien ein verkürztes Asylverfahren möglich ist, bei denen kein Verfolgungsrisiko bestehe.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) meinte, die Frage sei nicht neu und solle auch nicht überbewertet werden. Wenn es jetzt doch noch Zweifel in dieser Frage bei einzelnen Bundesländern gebe, müsse darüber eben noch mal gesprochen werden. „Ich gehe aber davon aus, dass das Thema bald abgeschlossen wird und diese Länder sichere Herkunftsländer werden“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion.

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