Russland und Deutschland rücken zusammen Wie Putin Merkel umwirbt

(RP). Ob Raketenabwehr, Terrorbekämpfung oder Wirtschaftskooperation – Russland rückt stärker an Europa und Deutschland heran. Das Verhältnis zwischen Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin und Kanzlerin Angela Merkel bleibt dennoch distanziert. Zuerst traf Putin Altkanzler Schröder.

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(RP). Ob Raketenabwehr, Terrorbekämpfung oder Wirtschaftskooperation — Russland rückt stärker an Europa und Deutschland heran. Das Verhältnis zwischen Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin und Kanzlerin Angela Merkel bleibt dennoch distanziert. Zuerst traf Putin Altkanzler Schröder.

Gerhard Schröder war mal wieder schneller. Am Donnerstagabend traf der SPD-Altkanzler in einem Berliner Edel-Restaurant bei Trüffel-Risotto und Rotwein mit Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin zusammen. Die Duzfreunde und Geschäftspartner (Schröder führt den Aufsichtsrat der russischen Gaspipeline-Gesellschaft Gazprom) lachten, speisten und tranken bis Mitternacht.

Erst gestern Nachmittag dann der offizielle Staatsbesuch. Nachdem Putin auf einem Wirtschaftskongress seine Vision einer europäisch-russischen Freihandelszone erläutert hatte, ging es ins Kanzleramt zu einem 45-minütigen Gespräch mit der deutschen Regierungschefin Angela Merkel (CDU).

Der Zeitpunkt war durchaus klug gewählt: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland befinden sich in der vielleicht besten Phase seit dem Kaukasus-Konflikt im Sommer 2008. Schon beim Nato-Gipfel in Lissabon sorgte Russlands Präsident Dmitri Medwedew für ein neues Kapitel der Zusammenarbeit, als er ankündigte, einen gemeinsamen europäisch-russischen Raketenabwehrschirm zu prüfen. Nun legte Putin mit seiner Vision für eine enge Partnerschaft zwischen Russland und Europa nach. Eine Wirtschaftsgemeinschaft von "Lissabon bis Wladiwostok" skizzierte der Ministerpräsident in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Eine europäische Freihandelszone könne eine "Industrialisierungswoge" über den Kontinent schwappen lassen. Putin hält einen Beitritt zur Welthandelsorganisation schon 2011 für möglich.

Verhältnis bleibt distanziert

Im Kanzleramt wurden die Worte wohlwollend aufgenommen. Und doch bleibt das Verhältnis zwischen der zurückgenommenen, uneitlen Kanzlerin und dem regelmäßig martialisch auftretenden Russen distanziert. Die engen Bande zwischen SPD-Mann Schröder und Putin, die kumpelhaft inszenierten Gipfeltreffen, waren der Kanzlerin stets suspekt. Seit ihrem Amtsantritt 2005 pflegt Merkel denn auch einen eher sachlich-analytischen Umgang mit den Führern des Riesenreichs. In den bilateralen Treffen mit dem Präsidenten Putin setzte die frühere DDR-Bürgerin, die während ihres Physik-Studiums in Leipzig mehrfach in die Sowjetunion reiste und fließend Russisch spricht, die Themen Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit stets oben auf die Tagesordnung.

Bei Schröder spielten diese kniffligen Fragen eher eine Nebenrolle. "Was Menschenrechte, Pressefreiheit und rechtliche Willkür betrifft, gibt es in Russland immer noch massive Probleme", sagt Alexander Rahr, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Und ein freiheitliches und demokratisches Russland traue Merkel eher dem jüngeren und moderneren Präsidenten Medwedew als Putin zu, berichten CDU-Außenpolitiker. "Medwedew ist für sie der zuverlässigere Partner", sagt Experte Rahr.

Putins Besuch "bedeutsam"

Dennoch sei der Besuch Putins gestern ähnlich bedeutsam wie dessen Rede im Reichstag im Jahr 2001. "Putin hat sich deutlich auf Merkel und Europa zubewegt", sagt Rahr. Die Freihandelszone sei ein "visionärer" Ansatz. Während einer separaten Diskussionsrunde auf dem Wirtschaftskongress sprach Putin sogar von einer gemeinsamen Währung zwischen Russland und Europa, die natürlich Euro heißen müsste. Eine "assoziierte Partnerschaft" zwischen Russland und Europa sei das Ziel, so Putin. Diese könne eine politische Dimension wie die Wiedervereinigung Deutschlands haben.

So viel Pathos ist der Kanzlerin eher unangenehm. Sie dämpfte die Hoffnung auf einen barrierefreien wirtschaftlichen Austausch zwischen den einstigen Kriegsgegnern. "Ich muss etwas Wasser in den Wein schütten, weil die Schritte, die Russland in letzter Zeit gegangen ist, nicht gerade in diese Richtung weisen", sagte Merkel. Als Beispiel nannte sie die Zollunion Russlands mit Kasachstan und Weißrussland. Mit anderen Worten: Zwischen Wollen und Tun klafft in Putins Russland noch immer eine Lücke.

(RP)
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