Nach Eklat im Landtag Wie Politiker gegen die NPD vorgehen wollen

Köln (rpo). Nach dem von der rechtsextremistischen NPD im sächsischen Landtag verursachten Eklat hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, einen breiten Aufstand der Anständigen in der Republik gefordert. Innenminister Otto Schily warnte vor einer Ausbreitung rassistischen Gedankenguts. Auch ein neues Verbotsverfahren und die Prüfung einer Strafanzeige seien im Gespräch. Joschka Fischer bezeichnet den Eklat als "Schande" für Deutschland.

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Spiegel habe den Eindruck, "dass es höchstens den Aufstand der Unanständigen" gebe, sagte Spiegel am Sonntag im Deutschlandfunk. Der Rechtsextremismus habe in Deutschland eine neue, gefährliche Qualität bekommen.

Bundesaußenminister Joschka Fischer bezeichnete den NPD-Auftritt als "Schande" für Deutschland und forderte Konsequenzen. "Es müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, eine Wiederholung solcher volksverhetzender Auftritte zu verhindern", verlangte der Grünen-Politiker, ohne direkt für einen neuerlichen Verbotsantrag zu plädieren.

Paul Spiegel fordert Transparenz

Angesichts der Erfolge der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg äußerte der Zentralrats-Präsident Zweifel, ob man entschlossen genug gegen den Rechtsextremismus in Deutschland vorgehe. Die Parteien und gesellschaftlichen Gruppen müssten Überzeugungsarbeit leisten, damit die Menschen rechtsextremistische Parteien nicht wählten. Zwar sei er der Überzeugung, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland weder Antisemitismus noch Fremdenfeindlichkeit wolle. Es sei aber auch nötig, sicher zu stellen, dass diese keine Chance bekämen, sagte Spiegel.

Solange Antisemitismus und Angriffe auf andere Minderheiten nicht von der Mehrheit der Bevölkerung als Angriff auf die gesamte Gesellschaft verstanden würden, werde die Bekämpfung des Antisemitismus ein Problem bleiben. Auch in Schulen sei noch nicht genug geschehen, um der jungen Generation die Geschichte und Vorgeschichte des Holocaust in angemessener Weise zu vermitteln.

Bundesinnneminister Otto Schily warnte am Samstag in der ARD vor einer Ausbreitung rassistischen und verfassungsfeindlichen Gedankenguts. Ein neues Verbotsverfahren strebt der SPD-Minister aber offenbar zunächst nicht an. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, sprach von einem Versagen der Politik.

Schily sagte, er sehe das Ansehen Deutschlands gefährdet. Man könne nicht zulassen, dass sich rechtsextremistisches Gedankengut ausbreite. Da aber das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren gescheitert sei, müsse man sich nun auf die politische Auseinandersetzung konzentrieren.

Die Grünen-Vorsitzende Roth nannte das Verhalten der Rechtsextremisten im Dresdner Landtag "zutiefst empörend". Die Verweigerung einer Schweigeminute und die ungeheuerliche Relativierung des Holocausts verhöhnten und beleidigten Millionen von Opfern des nationalsozialistischen Terrors. Roth sagte, die Auseinandersetzung mit den Feinden der Demokratie gehe alle an.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, sagte im NDR, die NPD habe mit ihren Reden ihr wahres Gesicht gezeigt, das "eine Fratze ist." Es sei zu befürchten, dass die Bilder von der Plenardebatte um die Welt gingen.

Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz forderte in der "Netzeitung" einen friedlichen Aufstand der Bürger gegen das Gebaren der NPD, lehnte aber einen neuen Verbotsantrag ab. Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) dagegen schloss einen erneuten Verbotsantrag nicht aus, forderte aber in der "Bild am Sonntag" eine sorgfältige Vorbereitung.

Abgeordnete der NPD waren am Freitag während einer Schweigeminute für alle Opfer des Krieges und der NS-Herrschaft aus dem Plenarsaal des sächsischen Landtags ausgezogen. Später hatten sie in Redebeiträgen die Vernichtung der Juden im Dritten Reich und die alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte mit dem Wort "Bombenholocaust" gleichgesetzt und einen Kausalzusammenhang mit dem Angriffskrieg des Deutschen Reiches geleugnet.

Jüdische Gemeinde prüft Strafanzeige

Wegen dieser Äußerungen prüft die Dresdner Staatsanwaltschaft den Verdacht der Volksverhetzung. Auch die jüdische Gemeinde von Dresden prüft eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung, sagte deren Vorsitzende Nora Goldenbogen.

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Kramer, erklärte in Berlin, der Einzug der NPD und ihrer Schwesterpartei DVU in die Parlamente bestätigten, dass in Deutschland "antisemitisches und fremdenfeindliches Gedankengut längst wieder salonfähig geworden" seien. "60 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz und der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Diktatur ist dies eine Bankrotterklärung der Politik." Es müsse endlich eine "politische Auseinandersetzung mit der Fratze des Antisemitismus im 21. Jahrhundert stattfinden". Verbote, Mahnmale und Symposien allein nützten wenig.

Die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), sagte, im Zusammenhang mit dem 60. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkrieges seien weitere Aktivitäten von Rechtsextremisten zu befürchten.

(ap)
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