Wahlprogramm zur Bundestagswahl Wie die AfD Deutschland verändern will

Auf die Formel „Deutschland, aber normal“ hat die AfD die Ausarbeitung ihres Wahlprogrammes gebracht. Wiederholt erreichte Björn Höcke mit seinen Vorstößen eine Mehrheit, um seine Partei noch mehr abzugrenzen. Eine Übersicht.

 Björn Höcke spricht beim Wahlprogramm-Parteitag der AfD im April in Dresden zu den Delegierten.

Björn Höcke spricht beim Wahlprogramm-Parteitag der AfD im April in Dresden zu den Delegierten.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Klima Die AfD will aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und allen Klimaschutz-Organisationen austreten. Denn sie sieht im Anstieg der CO2-Konzentration einen Beitrag zu einem „Ergrünen der Erde“. Die globale Erwärmung streite niemand ab, die AfD bezweifelt aber, dass diese nur negative Folgen habe.  Die These, der Verzicht auf Kohle, Öl und Gas könne eine vom Menschen gemachte „Klimakatastrophe“ noch verhindern, ist nach Überzeugung der AfD „falsch“.

Steuern EU-Steuern will die AfD verhindern und auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene viele Steuern abschaffen. Sie nimmt sich als Vorbild eine große Steuerreform des Ex-Verfassungsrichters Kirchhoff, will sich auf Umsatz- und Einkommensteuer konzentrieren und dafür Grundsteuer und Gewerbesteuer ersatzlos streichen. Das soll auch unter anderem für Energiesteuer, Sektsteuer, Kaffeesteuer, Biersteuer, Vergnügungssteuer und Jagdsteuer gelten.

Wirtschaft Die AfD will die Wirtschaft von „politisch herbeigeführten Belastungen komplett befreien. In einem „Blue Deal“ genannten Entwicklungsplan sollen unter anderem wissenschaftliche Erkenntnisse in Produkten umgesetzt, ein „nationales pharmazeutisch-medizinisches Kompetenz-Cluster“ wiederaufgebaut und das Arbeitsrecht „entschlackt“ werden.  Enteignungen, Abschaffung von Privateigentum und „hetzerische Klassenkampfrhetorik“ lehnt die AfD ab.

Schulden Für die Corona-bedingten Ausgabeprogramme soll die Verschuldung nach Meinung der AfD auf das „notwendige Maß“ beschränkt werden. EU-Corona-Programme, aus denen Deutschland nur wenig erhalte, seien abzulehnen. Jede EU-Kreditaufnahme trifft auf Widerstand der AfD. Die Mithaftung Deutschlands für diese Kredite, die weitgehend den Euro-Krisenländern zugute kämen, führe zu einer Verschlechterung der Bonität Deutschlands.

Zukunft Ein Entwurf von der Zukunft Deutschlands ist über viele einzelne Forderungen verteilt. Die AfD benennt Freiheit und Verantwortung als Zentrum ihres Menschenbildes. Daraus leitet sie etwa den Willen ab, Deutschland zu einem „Land von Wohnungseigentümern“ zu machen. Der Slogan „Deutschland, aber normal“ ist in den Details vor allem eine Rückwärtsbewegung: Zurück zu nationalen Währungen statt Euro, zurück zum Familienbild aus Vater, Mutter und Kindern.

Verkehr Fördern will die AfD den motorisierten Individualverkehr „als beliebteste Möglichkeit der Fortbewegung“. Alle Diskriminierungen, wie etwa Dieselfahrverbote, lehnt sie ab. Transitverkehr soll auf die Schiene und auf Wasserwege verlagert werden. Statt Tempolimits soll es situationsgerechte Streckenbeeinflussungsanlagen geben. Der Flugverkehr müsse als Wirtschaftsfaktor gefördert und nicht einer „Klima-Hysterie geopfert“ werden.

Arbeit Arbeitslose sollen umso länger Arbeitslosengeld bekommen, je länger sie beschäftigt waren. Die Partei will den Arbeitslosenbeitrag senken und eine „aktivierende Grundsicherung“ einführen. Dadurch soll jeder, der arbeitet, mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Arbeitgeber, die Schwerbehinderte beschäftigen, sollen einen Bonus erhalten. Für Menschen mit Behinderungen soll zur Entlastung der Angehörigen eine „soziale Assistenz“ entstehen.

Soziales Unter dem Stichwort Sozialpolitik finden sich im AfD-Wahlprogramm drei Forderungen: Die Zuwanderung von EU-Ausländern in die deutschen Sozialsysteme müssten verhindert werden; Leistungen solle nur derjenige maximal ein Jahr erhalten, der eine existenzsichernde Beschäftigung angemessen lange ausübte. Sozialrecht müsse in nationaler Gesetzgebungshoheit verbleiben. Und Sozialleistungen dürften nicht auf ausländische Konten ausgezahlt werden.

Rente Das Rentenkonzept der AfD geht davon aus, dass die Überlastung der Beitragszahler durch einen höheren Steuerzuschuss verhindert werden kann, wenn im Gegenzug der Staat Ausgaben in der Migrations-, Klima- und EU-Politik streicht. Jeder soll selbst entscheiden, wie lange er arbeiten will und dementsprechend auch mehr Rente erhalten. Für jedes Kind bekommen Eltern Rentenbeiträge erstattet. Politikerpensionen sollen abgeschafft werden.

Wohnen Möglichst viele sollen Eigentümer werden. Die AfD will, dass Wohnungsunternehmen Mietern ihre Wohnungen zum Kauf anbieten. Dazu sollen staatliche Bürgschaften als Eigenkapitalersatz gewährt werden, die eigengenutzte Immobilie steuerliche Sonderabschreibungen erhalten. Auch die Grunderwerbssteuer soll ersatzlos fallen, allerdings soll für Nicht-Deutsche mit Wohnsitz im Ausland der Erwerb per erhöhter Grunderwerbssteuer erschwert werden.

Familie Für die ersten drei Jahre nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern oder Großeltern ein Betreuungsgeld in der Höhe des Nettolohns in den drei Jahren zuvor erhalten. Nur Deutsche und EU-Bürger nach 20 Jahren Aufenthalt in Deutschland sollen einen Ehe-Startkredit bekommen, der mit jedem Kind kleiner wird. Leitbild soll die Drei-Kind-Familie sein. Kitas müssten von Angst und Hysterie freigehalten werden; die AfD kritisiert in diesem Zusammenhang „Genderwahn und Klimahysterie“.

Pflege Kurzzeitpflegeplätze in den Krankenhäusern sollen durch die Pflegeversicherung finanziert werden. Die AfD will der häuslichen Pflege Vorrang einräumen, damit die stationäre Pflege so lange wie möglich hinausgeschoben werden kann. Pflegekräfte sollen über einen Flächentarifvertrag angemessen bezahlt werden und steuerfreie Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge erhalten. Jobcenter sollen die Ausbildung zur Pflegefachkraft finanzieren.

Gesundheit Unter dem Stichwort Gesundheitspolitik verlangt die AfD in erster Linie, die „unverhältnismäßigen Corona-Maßnahmen“ zu beenden. Der Schwerpunkt freiwilliger Hygienemaßnahmen müsse auf gefährdeten Bevölkerungsgruppen liegen. Das Tragen von Masken in Kitas, Horten und Schulen lehnt die AfD ab. Genauso eine Impfpflicht („direkt und indirekt“). Sie verlangt zudem die Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses.

Innen Ein Alleinstellungsmerkmal bei der AfD: Rechtsextremismus taucht bei ihr als Gefahr nicht auf. Sie will unter der Überschrift Innere Sicherheit gegen Linksextremismus und Ausländerkriminalität vorgehen. Schon bei geringfügiger Kriminalität soll zwingend ausgewiesen werden. Nicht abgeschobene Kriminelle sollen im Ausland untergebracht werden. Die Strafmündigkeit soll auf zwölf Jahre gesenkt und auch junge Täter sollen bei schweren Delikten sofort inhaftiert werden.

Europa Die AfD hält den Austritt aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen „Wirtschafts- und Interessengemeinschaft“ für nötig. Ein „Europa der Vaterländer“ soll aus souveränen Staaten statt einem Staatenbund bestehen. Den Euro hält die AfD für gescheitert und verlangt, dass Deutschland die „Transferunion“ aufkündigt und eine nationale Währung wiedereinführt.

Außen und Sicherheit Für eine stabile europäische Friedensordnung will die AfD eine ausgewogene Zusammenarbeit sowohl mit den USA als auch mit Russland. Die EU-Sanktionen gegenüber Russland müssten aufgehoben werden. Die Bundeswehr solle „einen starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte pflegen“ und dabei „die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte leben“. Die AfD will zudem die Wehrpflicht wiedereinführen.

Medien Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll nach den Vorstellungen der AfD neu gestaltet werden und nach dem Umbau lediglich ein Zehntel des bisherigen Umfanges haben. Dieser „Grundfunk“ soll lediglich neutrale Inhalte aus Information, Kultur und Bildung anbieten und mit regionalen Inhalten ein schlanker „Heimatfunk“ als Schaufenster der Regionen sein. Facebook, Twitter, Instagram etc. sollen verpflichtet werden, die Meinungsfreiheit der Nutzer zu respektieren.

Was haben die anderen Parteien nach der Bundestagswahl 2021 vor?

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