Intrigen und Indiskretionen Wie der SPD-Vorsitz zum Schleudersitz wurde

Berlin · Andrea Nahles setzt die unrühmliche Tradition der Kurzzeitvorsitzenden bei der SPD fort. Mancher hielt sich nicht einmal so lange wie sie.

 Die 14. Vorsitzende räumt bei der SPD in der Nachkriegszeit das Feld, nicht mitgezählt die drei kommissarischen Parteichefs und die zweite Amtszeit von Franz Müntefering.

Die 14. Vorsitzende räumt bei der SPD in der Nachkriegszeit das Feld, nicht mitgezählt die drei kommissarischen Parteichefs und die zweite Amtszeit von Franz Müntefering.

Foto: dpa/-

Der SPD-Vorsitz sei das „schönste Amt neben Papst“, sagte Franz  Müntefering vergnügt, als er 2002 die Nachfolge des vorzeitig zurückgetretenen Parteichefs Gerhard Schröder übernahm. Drei Jahre später schmiss er selber hin, weil der Intrigantenstadel an der Parteispitze ihm nicht „seinen“ Kajo Wasserhövel als Generalsekretär gönnen, sondern ihm Andrea Nahles vor die Nase setzen wollte. Der Papst-Vergleich wird sich bei den Sozialdemokraten seit dem 23 Jahre währendem Rekordvorsitz von Willy Brandt nur halten lassen, wenn sie die Zeit der Vatikan-Intrigen und Gegenpäpste meinen.

Denn die Amtszeit endet kaum noch geplant. Schon als Hoffnungsträger Björn Engholm 1993 in den Spätfolgen der Barschel-Affäre zurücktrat, schimpfte sein Umfeld auf Spitzengenossen, die sein Vertrauen missbraucht und ihm mit gefärbten Darstellungen an die Medien die Regie aus der Hand genommen hätten. Hinter den Kulissen wirkte die damalige Juso-Chefin Andrea Nahles am Sturz von Engholm-Nachfolger Rudolf Scharping mit, indem sie Oskar Lafontaine 1995 mit ermunterte, Scharping in einer Kampfabstimmung beiseite zu räumen. Lafontaine warf 1999 seine Ämter hin, nachdem er sich gegen Schröder nicht durchsetzen konnte. 

Schröder schulterte auch den Vorsitz, verzichtete jedoch vorzeitig zugunsten Münteferings, und als Matthias Platzeck 2005 von Müntefering übernahm, war er bereits nach wenigen Monaten gesundheitlich so aufgerieben, dass er auch schon wieder aufgab. Kurt Beck übernahm, und auch er schied vorzeitig unter wütenden Anklagen seines Umfeldes gegen ein „Intrigenspiel“ aus dem Amt. „Gezielte Falschinformationen“, so Beck, begleiteten seine Entscheidung. Nach der Bundestagswahl ein Jahr später war auch Münteferings zweite Amtszeit als Vorsitzender wieder vorbei.

Nun kam eine relativ lange Phase von 2009 bis 2017  unter dem Vorsitz von Sigmar Gabriel. Es ist keine 29 Monate her, dass er an Martin Schulz übergab. Der wurde nach der verlorenen Bundestagswahl Ende 2017 zwar wiedergewählt, musste nach massivem innerparteilichem Druck zwei Monate später jedoch Regierungsambitionen und Vorsitz räumen. Am 22. April 2018 schaffte es Andrea Nahles an die Spitze. 13 Monate und elf Tage später gab sie auf.

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