Bundesfinanzminister auf Asien-Reise Wie China Peer Steinbrück zähmt

Peking (RP/RPO). Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), bekannt für scharfzüngige Mahnungen und klare Worte, gibt sich auf seiner China-Reise als leiser Diplomat. Er wirbt für Differenzierung und Geduld bei der Betrachtung Chinas. Steinbrücks Charme-Offensive soll auch der deutschen Wirtschaft helfen.

Während sich hinter ihm die Chinesische Mauer, das 2200 Jahre alte Steinmonument in die Bergwelt Asiens hineinfräst, verliert Peer Steinbrück im Souvenirgeschäft die Fassung. "Jetzt ist es aber mal gut", herrscht der SPD-Politiker die verdutzte Verkäuferin an. "Ich kaufe bei Ihnen kein T-Shirt."

Vergeblich hatte die kleine Frau mit der hohen Stimme dem prominenten Gast aus Deutschland ein grünes Textil mit dem Konterfei des Weltwunders angeboten. Als Peer Steinbrück schließlich genervt die Stimme hebt, lässt sie von ihm ab.

Wiedergutmachungs-Tour

Es ist einer der wenigen Momente, in denen der Bundesfinanzminister, bekannt für verbale Eruptionen, auf seiner China-Reise die Höflichkeit vergisst. Schließlich ist Steinbrück Teil einer seit Monaten währenden Wiedergutmachungs-Tour deutscher Politiker im Reich der Mitte.

Den ursprünglich für Dezember geplanten Besuch ließen die Chinesen wegen des Dalai-Lama-Empfangs im Kanzleramt platzen. So muss sich nun ausgerechnet der Scharfmacher der Bundesregierung, der selbst ernannte "Gratwandler", als Diplomat geben. Die Chinesen helfen ihm dabei und rollen den roten Teppich aus.

In Peking wird Steinbrück von Vize-Regierungschef Li Keqiang empfangen, eine seltene Ehre für einen Minister. Keqiang gilt als möglicher Nachfolger des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Eine halbe Stunde dauerte es, bis der mächtige Chinese "seine Maske abgelegt hat", erzählt später ein Teilnehmer des Gesprächs. Dann sei erstaunlich offen diskutiert worden.

Steinbrück kommt an

"Die unverblümte, direkte Art von Steinbrück kommt an", glaubt der deutsche Botschafter Michael Schaefer. "Die Chinesen sind sensibel, aber sie mögen keine Floskeln." Steinbrück selbst schwärmt später von dem "pragmatischen und realistischen" Vize-Premier.

Vielleicht kommt Steinbrück auch deswegen so gut an, weil er schwierige Fragen wie etwa die Tibet-Krise vermeidet. Eine allzu kritische Haltung gegenüber China lehnt der SPD-Vize, ganz im Sinne seines Parteifreunds und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ab.

Menschenrechte? Müssen angesprochen werden, sagt Steinbrück. "Aber hinter verschlossenen Türen und nicht auf offener Bühne." Am Abend in kleiner Runde im Hotel, erleben die Delegationsmitglieder einen leisen Finanzminister. China habe in der Geschichte Traumatisierungen wie die Kolonialzeit erlebt, wirbt Steinbrück um Verständnis.

"One-China-Frage"

Man müsse verstehen, dass die "One-China-Frage" eine besondere Rolle spiele. Er wolle nichts rechtfertigen, sagt er. Aber: "Man muss die Geschichte zur Kenntnis nehmen." China werde sich auch ohne öffentlichen Druck öffnen, glaubt der SPD-Politiker. "Nur in welcher Dosierung, das wollen sie eben selbst entscheiden."

Noch ein anderes Motiv könnte Steinbrücks sanften Dialog mit China erklären. Deutschland profitiert besonders vom rasanten Wirtschaftsboom des Riesenreichs. "Wir dürfen uns keine Zugänge verbauen", heißt die Losung des Ministers, der schließlich auch als Chef-Außenhändler unterwegs ist.

Deutsche Exporte fördern

Bei einem Treffen mit dem Notenbankchef plädiert Steinbrück für die Aufwertung des Yuan gegenüber dem Euro, um deutsche Exporte zu befördern. Im Pekinger Regierungssitz trommelt der SPD-Politiker für Kooperationen mit deutschen Firmen. Und beim Chef des chinesischen Staatsfonds CIC, Lou Jiwei, wirbt der SPD-Politiker um Investitionen in Deutschland. Immerhin sitzt China auf einem gigantischen Devisen-Berg von 1,8 Billionen Euro. Bei so handfesten Interessen fällt es vielleicht leichter, den Chinesen Fragen zu Tibet zu ersparen.

Nur wenn es um die SPD geht, dann kennt Steinbrück auch Tausende Kilometer von Deutschland entfernt keine Diplomatie, wie bei der Podiumsdiskussion in der Deutschen Schule in Shanghai deutlich wird. Den Ärger über das Papier der SPD-Linken hatte der konservative Sozialdemokrat gerade verdaut, da fragt ihn ein Schüler, warum er überhaupt Mitglied der SPD sei. Der 61-Jährige nestelt an seiner Brille und überlegt ein paar Sekunden.

"Das frage ich mich gelegentlich auch", sagt er schließlich. Einige Schüler hatten das offenbar schon vorher so gesehen. Als der Schulleiter den prominenten Gast ankündigte, flüsterte eine Elftklässlerin in der dritten Reihe neugierig: "Ist der von der SPD oder von der CDU?".

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