Wahlverlierer FDP Westerwelle: "Wir haben verstanden"

Düsseldorf (RPO). Die FDP ist der Verlierer der Landtagswahlen. In Baden-Württemberg verlor sie die Regierungsverantwortung, in Rheinland-Pfalz flog sie gar aus dem Landtag. Führende Parteimitglieder sprechen von einem klaren Signal. FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte Schlussfolgerungen an. Der Absturz könnte Folgen für die liberale Atompolitik haben. Und personelle.

Womit Guido Westerwelle für Trubel sorgte
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Womit Guido Westerwelle für Trubel sorgte

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Foto: dapd

Zwei wichtige Parteigrößen sind stark angeschlagen: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, bereits durch die Zitataffäre in der Defensive, verpasste mit der FDP in Rheinland-Pfalz den Einzug in den Landtag. Fraktionschefin Homburger muss als Landeschefin in Baden-Württemberg um das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde bangen. Dabei ist das Bundesland ein Mutterland der FDP mit traditionell guten Ergebnissen. Beide müssen ein Debakel verantworten.

Parteichef Guido Westerwelle zögerte ungewöhnlich lange, bis er am Abend vor die Presse ging. "Das ist ein schwerer Abend für uns Liberale", sagte er. Dann hatte er eine Erklärung parat: Eineinhalb Jahrzehnte "außerordentlich erfolgreiche" Regierungsarbeit habe sich im Wahlergebnis von Baden-Württemberg nicht bemerkbar gemacht. Vielmehr sei über die Zukunft der Atomkraft abgestimmt worden. "Wir haben verstanden", betonte er. Das Ergebnis müsse nun auch in Berlin "genau besprochen" werden. Die FDP scheint sich von ihrer bisherigen Position zur Atomkraft zu verabschieden.

Konsequenzen sind fällig

Doch war das nur der politische Teilaspekt der liberalen Nöte. Im gleichen Atemzug kündigte Westerwelle Schlussfolgerungen an. Der Vizekanzler wirkte sichtlich betroffen, als er nach den ersten Hochrechnungen vor seine Parteifreunde trat. Die Partei werde nun geordnet und überlegt über Schlussfolgerungen beraten - auch zur Aufstellung als Partei. Das Ergebnis gehe an keinem Liberalen spurlos vorüber.

Dass es für den Chef der Liberalen auch um den eigenen Kopf geht, machte eine regelrecht bizarre Meldung einer Nachrichtenagentur deutlich, die schon vor der ersten Prognose der Landtagswahlen über den Ticker ging. Parteichef Guido Westerwelle werde nicht zurücktreten, hieß es da ungefragt. Umso klarer wurde aber, worüber derzeit in der Parteizentrale diskutiert wird.

Denn auch für Westerwelle waren die Landtagswahlen im März zur Schicksalswahl stilisiert worden. In der Partei ist Kritik an ihm, seiner Politik und seinem Stil laut geworden, seitdem die Liberalen nach dem Hoch bei den Bundestagswahlen 2009 einen beispiellosen Absturz erlebte. In einer bundesweiten Umfrage landete die Partei an diesem Sonntag unter der Marke von fünf Prozent.

Wie eine Drohung

Die Serie setzt sich nun auch im März 2011 fort. Denn aus dem Umfragedesaster der vergangenen Monate ist bitterer Ernst geworden. Vor einer Woche flog die Partei in Sachsen-Anhalt aus dem Landtag, der Heimat des FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher. Gerade einmal 3,8 Prozent der Wähler mochten sich für die FDP entscheiden. In den Landesregierungen der Republik ist die FDP akut vom Aussterben bedroht.

Verantwortlich dafür in den Augen seiner Kritiker: Guido Westerwelle. Mit seiner Enthaltungspolitik in der Libyenkrise hat er seine Lage nicht eben entschärft. Nun, nach dem Aus in Rheinland-Pfalz und der Zitterpartie in Baden-Württemberg, droht sich das Damoklesschwert zu lösen. Wie eine Drohung klingt vor diesem Hintergrund die Ankündigung von Generalsekretär Christian Lindner, die FDP wolle nach diesen Wahlniederlagen nicht zur politischen Tagesordnung übergehen.

Es gibt potenzielle Sündenböcke

"Wir werden über die personelle und inhaltliche Ausrichtung sprechen", kündigte Generalsekretär Christian Lindner am Sonntagabend in der "Berliner Runde" von ARD und ZDF an. Dies werde ab Montag unter Führung von Parteichef Guido Westerwelle geschehen. Linder sprach allerdings auch von einem Ausnahmecharakter der Wahlen: "Wir haben eine Wahl, die unter besonderen Rahmenbedingungen stattgefunden hat", sagte der FDP-Politiker mit Blick auf die Atomkatastrophe in Japan.

Ob aber diese Einsicht am Ende den potenziellen Sündenböcken den Kopf retten wird, steht in der Politik auf einem anderen Blatt. Ein personeller Umbruch bei den Liberalen scheint unausweichlich - ob mit oder ohne Beteiligung von Westerwelle. Die Forderung nach Konsequenzen wird am Montag in Berlin zu diskutieren sein.

Für Brüderle wird es eng

Treffen könnte es dann auch die Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Birgit Homburger und Rainer Brüderle. Das Debakel bei der Landtagswahl rechtfertigte sie mit der Debatte über die Kernenergie. Der Wahlkampf sei emotionalisiert worden, sagte sie der ARD.

Noch enger wird es wohl für Brüderle. Die Wahlkämpfer von Union und FDP waren nicht gerade erfreut über die Zitat-Affäre des Ministers. Dessen angebliche Äußerung vor Industrie-Bossen, die Atomwende der Bundesregierung sein nur dem Wahlkampf geschuldet, hat der Glaubwürdigkeit der beiden Regierungsparteien geschadet. Brüderle selbst tat am Abend so, als wüsste er von nichts. Die Wahl sei überlagert worden durch die Atomkatastrophe in Japan, den Krieg in Libyen und die Euro-Krise, sagte er in Mainz.

Ein Signal - wofür bleibt offen

Die Wahlschlappen werden wohl spätestens auf dem Bundesparteitag Mitte Mai Folgen haben. Dann steht die FDP-Führung zur Wiederwahl. Der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Johannes Vogel resümierte am Sonntag angesichts der ersten Wahlergebnisse: "Die Phase der Bewährung ist noch nicht vorbei." Die FDP müsse ihre Inhalte künftig noch klarer vertreten, auch in der Energiepolitik.

Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn - mehrfach als scharfer Westerwelle-Kritiker aufgefallen - sagte, der 27. März 2011 werde "in der Geschichte des organisierten Liberalismus immer ein besonderes Datum sein". "Diese Entscheidungen der Wähler sind nicht nur schmerzlich für jeden Liberalen. Sie sind auch ein klares Signal. Wir müssen dieses jetzt verstehen", hob Hahn hervor.

(rai/dapd)
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