Büroleiter war der Maulwurf Westerwelle durch Wikileaks in brenzliger Lage

Berlin (RPO). Nach der Enttarnung des Büroleiters von FDP-Chef Guido Westerwelle als Informanten der US-Botschaft bemüht sich die FDP-Spitze um Schadensbegrenzung. Wenige Monate vor mehreren wichtigen Landtagswahlen will sie so schnell wie möglich raus aus den Negativschlagzeilen. Die Devise lautet, die Affäre möglichst kleinzuhalten.

Was in den Wikileaks-Dokumenten über die Politiker der Welt steht
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Immer wieder wird darauf verwiesen, dass der inzwischen von seinem Posten suspendierte Helmut Metzner aus den Koalitionsverhandlungen keine relevanten oder vertraulichen Informationen an die US-Diplomaten übermittelt habe. Zudem habe er nie direkt mit Botschafter Philip Murphy gesprochen, sondern stets mit einem Mitarbeiter der Botschaft.

Außenminister Westerwelle äußerte sich bestürzt, dass sein Büroleiter, Informationen aus den Koalitionsverhandlungen an die US-Botschaft berichtet hatte. "Der betreffende Mitarbeiter hat sich offenbart, und wir haben im gegenseitigen Einvernehmen seine Aufgaben verändert", sagte Westerwelle der "Frankfurter Rundschau" (Samstagsausgabe). Der Mitarbeiter habe aber "weder vertrauliche Geheimnisse ausgeplaudert noch gegen Gesetze verstoßen".

Gleichwohl bleibt für Westerwelle, der gerade dabei ist, die FDP nach dem Absturz in den Umfragen zu stabilisieren und selbst als Außenminister Fuß zu fassen, die Lage brenzlig:

Enger Mitarbeiter von Westerwelle

Ein Büroleiter ist eine Vertrauensperson. Der persönliche Schaden für den Vizekanzler ist daher deutlich höher als wenn es sich um irgendeinen Mitarbeiter der Parteizentrale handeln würde. Auch vor und nach den Koalitionsverhandlungen gab es nach Angaben aus der Partei bis zuletzt Kontakte Metzners zu Mitarbeitern der Botschaft. Zudem hatte er Zugang zu allen Präsidiumssitzungen und damit sämtlichen Daten der Parteiführung.

Innerhalb und außerhalb der Partei stellen sich nicht wenige die Frage, warum die Enttarnung von den ersten Veröffentlichungen am Wochenende im "Spiegel" bis Donnerstag gedauert hat, obwohl Murphys Beschreibung ("junger, aufstrebender Parteigänger") nur auf einen begrenzten Teil von Protokollführern bei den Koalitionsverhandlungen zutrifft.

Mehrere Abgeordnete, die sich um das Ansehen der Partei sorgten, hatten daher am Dienstag auf eine raschere Aufklärung gedrungen. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen und Verdächtigungen, etwa gegen Personen mit guten Auslandskontakten, waren zudem unerträglich geworden.

Medien beschimpft

Westerwelle aber setzte auf Zeit. Noch zu Wochenbeginn zweifelte er die Existenz des von Murphy in Depeschen an das Außenministerium in Washington erwähnten FDP-Informanten mit den Worten an: "Ich glaube diese Geschichte nicht." Der frühere Generalsekretär und heutige Entwicklungsminister Dirk Niebel schlug in dieselbe Bresche und beschimpfte die Medien für die Veröffentlichungen.

"Westerwelle hat zu spät erkannt, dass es seine eigene unmittelbare Umgebung war", sagt der Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Dies sei peinlich für Westerwelle, auch im Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel, denn immerhin sei es um die Koalitionsverhandlungen gegangen. Dies werfe Fragen zur künftigen Vertraulichkeit auf.

Im Auftrag der FDP-Spitze gehandelt?

Darüber hinaus hält sich in der Koalition das Gerücht, Metzner könnte im Auftrag der FDP-Spitze gehandelt haben, um den Amerikanern die eigenen außenpolitischen Vorstellungen nahezubringen. "Es ist für mich nicht vorstellbar, dass Helmut Metzner Dinge getan hat, die nicht mit der Parteiführung abgestimmt waren", sagt der Berliner FDP-Abgeordnete Lars Lindemann dem "Tagesspiegel" vom Samstag.

So wurde an die Amerikaner aus der Runde überliefert, dass sich Westerwelle als Außenminister für den Abzug der letzten US-Atomwaffen auf deutschem Boden starkmachen will - in der Tat ein Kernprojekt in Westerwelles Amtszeit. Aus der Parteispitze heißt es dagegen zu Metzners Kontaktaufnahme mit den Amerikanern lediglich: "Das wird er in eigener Verantwortung gemacht haben."

Die Gefahr eines Ansehensverlustes droht nicht zuletzt der gesamten schwarz-gelben Koalition. In der Union haben Regierungsmitglieder wie etwa Finanzminister Wolfgang Schäuble an die Abgeordneten appelliert, die Wikileaks-Affäre möglichst nicht zu kommentieren. In der Unionsfraktion wurde zudem beanstandet, die bloße Versetzung Metzners sei nach außen ein nicht besonders glückliches Signal.

Parteispitze spielt Affäre herunter

Zur Strategie der FDP gehört es nun, verstärkt Botschafter Murphy ins Visier zu nehmen, allerdings nicht aus der ersten Reihe. Unter der Hand ist seit längerem die Erwartung zu vernehmen, Murphy möge sich für seine Indiskretionen und abfälligen Bemerkungen über Westerwelle entschuldigen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hans-Michael Goldmann forderte in der "Bild"-Zeitung nun offen, Murphy müsse nach Hause geholt werden.

Darüber hinaus setzt sich die FDP verstärkt als Opfer einer Medienkampagne in Szene. In der Partei hält sich der Vorwurf, der "Spiegel" fahre mit der Auswahl an Informationen in dem Artikel zu den Wikileaks-Enthüllungen eine Kampagne gegen die Liberalen. "Auch durch Weglassen kann man falsche Informationen streuen", sagte Niebel der "Leipziger Volkszeitung".

(RTR/AFP)
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