Kampf gegen Artensterben „Große Sorge“ und wenig Konkretes - Weltnaturkonferenz geht zu Ende

Analyse | Berlin · Im südchinesischen Kunming will die Staatengemeinschaft neue Grundlagen für den Kampf gegen das Artensterben legen. Am Ende der Weltnaturkonferenz steht eine Erklärung mit guten, aber vagen Willensbekundungen. Konkrete Schritte sollen folgen. Doch Kritiker erhöhen schon jetzt den Druck.

 Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) vertrat Deutschland virtuell bei der Weltnaturkonferenz im chinesischen Kunming. Ihre Rede hielt sie im Berliner Naturkundemuseum.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) vertrat Deutschland virtuell bei der Weltnaturkonferenz im chinesischen Kunming. Ihre Rede hielt sie im Berliner Naturkundemuseum.

Foto: dpa/Weronika Peneshko

Der dramatische Schwund von Arten und Lebensräumen schreitet weiter voran. Die internationale Staatengemeinschaft will grundsätzlich stärker dagegen vorgehen. Doch die Ergebnisse der Weltnaturkonferenz (COP15), die in dieser Woche im südchinesischen Kunming stattfand, bleiben Kritikern zu vage.

Was hat es mit der Konferenz auf sich?

Das Zeitfenster des bisherigen Plans der Vereinten Nationen von 2011 bis 2020 zum Erhalt der biologischen Vielfalt ist abgelaufen – das Ziel aber weit verfehlt.  Bisher konnte die Weltgemeinschaft den Verlust von Arten und Lebensräumen nicht stoppen. Bei der COP15, die an diesem Freitag zu Ende geht, haben die knapp 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt an neuen Strategien gearbeitet. Pandemiebedingt fand die Konferenz weitgehend virtuell statt.

Was wurde vereinbart?

Herausgekommen ist die „Erklärung von Kunming“, die Kritiker für zu schwammig halten. Tatsächlich enthält sie keine völkerrechtlich bindenden Ziele. Vereinbart wurde ein Entwurf, auf dessen Grundlage bei einem Präsenztreffen von 25. April bis 8. Mai ein Abkommen mit konkreten Zielen verabschiedet werden soll. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die Konferenz in Kunming einen „guten Auftakt“ für die bevorstehenden Verhandlungen. „Die Richtung stimmt, aber die nächsten Schritte müssen konkreter werden. Ziel ist, dass die Weltgemeinschaft im Mai eine konkrete und anspruchsvolle globale Vereinbarung für die Natur und ihre Vielfalt beschließt“, sagte Schulze unserer Redaktion.

Was steht in der Erklärung?

In dem Papier bekunden die Staaten den guten Willen zum Erhalt der Biodiversität und der Ökosysteme. Aufgezählt werden die beispiellosen Krisen des Verlusts an Artenvielfalt, des Klimawandels, der Landzerstörung und Wüstenbildung, der Schädigung der Meere und Umweltverschmutzung sowie die wachsenden Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Nahrungssicherheit. Mit „großer Sorge“ wird zur Kenntnis genommen, dass diese zusammenhängenden Krisen eine „existenzielle Bedrohung für unsere Gesellschaft, unsere Kultur, unseren Wohlstand und für unseren Planeten“ darstellen. Es wird betont, dass dringendes Handeln und ein „transformativer Wandel“ in allen Wirtschaftssektoren und allen Teilen der Gesellschaft notwendigen seien.

Wie sind die Reaktionen auf die „Erklärung von Kunming“?

Die Natur- und Artenschutzorganisation WWF Deutschland begrüßt zwar das „allgemeine Amibitionsniveau“ der Erklärung. „Dennoch bleiben die Formulierungen der Erklärung zu blumig und vage. Die Dringlichkeit konkreter Maßnahmen muss noch viel stärker betont werden“, sagte Florian Titze, WWF-Experte für internationale Biodiversitätspolitik unserer Redaktion. „Es hapert auch noch massiv bei der Finanzierung“, so der WWF-Experte. Es müsse klar benannt werden, woher das Geld kommen solle und welche Akteure man stärker einbinden wolle.

Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer kritisierte die Staatengemeinschaft scharf. „Wenn das Artensterben nicht gestoppt wird, kann uns selbst der beste Klimaschutz nicht retten. Wir sind im sechsten Massensterben der Erdgeschichte, das alles Leben auf der Erde bedroht - auch das menschliche“, sagte Neubauer unserer Redaktion. Fachleute gehen vom derzeit sechsten Massenaussterben aus, das letzte ereignete sich demnach vor rund 66 Millionen Jahren. Die Fridays-for-Future-Aktivistin Neubauer sagte: „Man würde meinen, das sei für Regierungen Grund genug, um alles zu tun, um Natur zu schützen, ökologische Zerstörung zu beenden und die notwendige Finanzierung bereit zustellen. Dieser Gipfel zeigt erneut, dass Regierungen auch die größte Katastrophe zulassen werden - es sei denn, Menschen überall halten sie davon ab.“

Welche Aufgaben warten auf die nächste Bundesregierung?

Noch-Umweltministerin Schulze forderte, dass nach Jahrzehnten der Naturzerstörung „global ein Jahrzehnt der Wiederherstellung der Natur“ eingeläutet werden müsse. „Immer mehr Staaten stimmen darin überein, dass es nicht ausreicht, schöne Ziele zu setzen – wir brauchen auch eine wirksame Erfolgskontrolle“, sagte Schulze.

Als ersten konkreten Schritt der kommenden Bundesregierung fordert der WWF Deutschland eine  Erhöhung des deutschen Beitrags zum Schutz der globalen Artenvielfalt. „Statt der aktuell rund 800 Millionen Euro fordern wir mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr“, sagte WWF-Experte Titze unserer Redaktion. Zudem brauche es mehr politischen Willen. Aktuell liege die Priorität sehr stark auf dem Klimaschutz. „Das soll auch so bleiben, aber gleichzeitig muss sich die Bundesregierung mit dem gleichen Engagement in den internationalen Verhandlungen für die biologische Vielfalt einsetzen“, betonte Titze.

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