Wie es nach dem Rücktritt weitergeht Welche Ansprüche hat Wulff jetzt?

Berlin · Christian Wulff ist als Bundespräsident zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung seiner Immunität beantragt hat. Wir erklären, wie es mit Christian Wulff und auch mit der Suche nach einem Nachfolger weitergeht.

Januar 2012: Bundespräsident Wulff im TV-Interview
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Muss die Immunität von Wulff noch aufgehoben werden?

Nein, mit dem Rücktritt ist er nach Angaben aus dem Bundestag ab sofort nicht mehr durch sein Amt vor einer Strafverfolgung geschützt. Die Staatsanwaltschaft braucht deshalb nicht mehr auf eine Genehmigung durch das Parlament warten und kann sofort ermitteln.

Welche Ansprüche hat Wulff nach seinem Rücktritt?

Jeder Bundespräsident bekommt bis an sein Lebensende einen sogenannten Ehrensold, das heißt die vollen Amtsbezüge. Zudem behält er lebenslang Anspruch auf einen Dienstwagen mit Fahrer, Büroräume und wenigstens einen Mitarbeiter. Wulff würde dann 199.000 Euro jährlich erhalten, wenn für den Rücktritt politische oder gesundheitliche Gründe Ursache sind. Ob Wulff allerdings tatsächlich Anspruch auf den Ehrensold hat, darüber streiten Juristen.

Warum gibt es darüber Streit?

Es geht um die Definition politischer Gründe für seinen Rücktritt. Nach Einschätzung des Berliner Staatsrechtlers Ulrich Battis hat Wulff Anspruch auf einen Ehrensold. "Die in dem entsprechenden Gesetz genannten politischen oder gesundheitlichen Gründe sind unbestimmte Rechtsbegriffe", sagte Battis der "Mitteldeutschen Zeitung". Anders sieht es Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim, der eher persönliche Gründe für den Rücktritt sieht. Auch der Steuerzahlerbund hält den Ehrensold für Wulff nicht gerechtfertigt.

Gibt es andere Bezüge, die Wulff erhalten könnte?

Ohne den Ehrensold hätte Wulff als langjähriger Ministerpräsident in Niedersachsen Anspruch auf eine Pension. Die wird aber erst mit 60 fällig. Ab dem 57. Lebensjahr hätte er Anspruch auf eine Altersentschädigung für seine Zeit als Landtagsabgeordneter. Ohne Ehrensold hätte Wulff nach Berechnungen des Verwaltungsrechtlers Hans Herbert von Arnim lediglich Anspruch auf ein Übergangsgeld aus seinem Ministerpräsidentenamt. Das sind monatlich rund 7000 Euro, befristet auf zwei Jahre.

Muss Wulff einen Untersuchungsausschuss fürchten?

Eher nicht. Ein solches Gremium wird nur bei dem Verdacht eines schwerwiegenden staatlichen Versagens gebildet, der sich nicht schnell aufklären lässt.

Wer übt das Amt des Bundespräsidenten bis zur Neuwahl aus?

Das ist der Präsident des Bundesrates, aktuell Bayerns Regierungschef Horst Seehofer.

Wie kommt Deutschland zu einem neuen Präsidenten?

Es ist Aufgabe von Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Bundesversammlung binnen 30 Tagen zusammenzurufen. Sie besteht aus den Bundestagsabgeordneten und einer gleich großen Anzahl von Männern und Frauen, die von den Landtagen gewählt werden. Die Bundesregierung stellt aufgrund aktueller Bevölkerungszahlen fest, wie viele Mitglieder auf jedes Bundesland entfallen, dann wählen die Landtage nach Proporz.

Wer hätte aktuell die Mehrheit?

Wegen möglicher Listenverbindungen und Bevölkerungswanderungen ist die exakte Bestimmung erst spät möglich. Derzeit hätte Schwarz-Gelb einen hauchdünnen Vorsprung vor Rot-Grün-Rot.

Gibt es Favoriten?

Norbert Lammert und Klaus Töpfer von der CDU werden gehandelt, auch Thomas de Maiziere gilt als präsidiabel. Angesichts der knappen Mehrheit und der Erfahrungen mit drei Wahlgängen bei der Wulff-Wahl ist der Bedarf an Abstimmungskrimis bei der Koalition jedoch erschöpft. Kanzlerin Angela Merkel würde nach einem weit über die Parteigrenzen anerkannten Kandidaten suchen.

Hat Rot-Grün jemanden auf Lager?

Denkbar ist immer noch Joachim Gauck, der Überraschungskandidat von SPD und Grünen beim letzten Mal. Er avancierte in Volk und Medien zum Präsidenten der Herzen. Wie aus der Opposition zu hören ist, steht er weiter zur Verfügung. Doch angesichts des Widerstands bei Union, FDP und Linken gegen ihn bei der letzten Präsidenten-Wahl gilt eine erneute Gauck-Kandidatur als nicht wahrscheinlich. Bereits vor Weihnachten kursierte in Berlin der Name von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Der bräuchte weltmännisches Auftreten und Rede-Anstöße nicht erst zu lernen und ist auch aus Zeiten der großen Koalition in der Union hoch angesehen. SPD-Chef Sigmar Gabriel hätte so auch elegant einen Rivalen im Rennen um die Kanzlerkandidatur entsorgt.

Kommt eine Frau infrage?

Nach zehn Männern in sechs Jahrzehnten scheint die Zeit reif für die erste Frau an der Staatsspitze. Ob die konservativen Kräfte in der Bundesversammlung das während der Amtszeit einer Bundeskanzlerin auch so sehen, ist fraglich. Vor Wulffs Wahl wurde CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen als mögliche Präsidentin gehandelt. Dass sie antritt, gilt angesichts ihres eingetrübten Verhältnisses zur Kanzlerin als unwahrscheinlich. Ein Geheimtipp ist Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen. Die gläubige Christin, die zugleich Synodenpräses der Evangelischen Kirche ist, genießt auch in der Union Anerkennung. Die SPD hätte damit die Grünen auf ihrer Seite, die CDU auch eine schwarz-grüne Option für die Zukunft geschaffen.

(RP/rm/das)
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