Bosbach über Westerwelle: "Oppositionsgehabe" Weiter Streit über Hartz-IV

Berlin (RPO). In der Debatte über die Neugestaltung der "Hartz IV"-Gesetzgebung nimmt die FDP Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Pflicht. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Miriam Gruß forderte am Samstag: "Statt Kritik an der FDP zu üben, sollte sie sich mit eigenen Vorschlägen in die Diskussion einbringen und endlich Verantwortung übernehmen." Parteichef Guido Westerwelle zeigte sich von Merkels Kritik unbeeindruckt.

Pro&Contra: So spaltete Westerwelle Deutschland
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Foto: AP

Der Vizekanzler sagte: "Ich spreche aus, was die schweigende Mehrheit denkt. Ich will mir nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennen lernen. Ich will, dass dieses Land sich ändert, einen neuen Aufbruch erlebt." Westerwelle hatte moniert, die Diskussion über das "Hartz IV"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts trage "sozialistische Züge" und betont, wer dem Volk "anstrengungslosen Wohlstand" verspreche, lade zu "spätrömischer Dekadenz ein".

Auf die Frage, ob er Merkel vor Veröffentlichung seiner "Hartz IV"-Thesen informiert habe, sagte der Außenminister: "Ich veröffentliche Gastbeiträge, ohne sie vorher zur Abzeichnung im Kanzleramt vorzulegen. Ich bin der Vorsitzende der FDP mit einer eigenen Meinung." Zudem habe er in den vergangenen Tagen "auch von Unions-Kollegen hinter vorgehaltener Hand viel Zustimmung erfahren", sagte er.

"Der Auftritt von Westerwelle ist klassisches Oppositionsgehabe", sagte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach dem "Spiegel". Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagte dem Magazin, die Debatte um Hartz IV sei "ein bisschen aus dem Lot geraten". Wer jetzt Systemfehler kritisiere, stehe nach Westerwelles Attacke "als Raubritter des Sozialstaates da".

Selbst in der eigenen Partei löst Westerwelles Rhetorik demnach Irritationen aus. Inhaltlich sei er mit der Position einverstanden, sagte der stellvertretende FDP-Landeschef und bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil, aber "ich hätte in der Hartz-IV-Debatte nicht Westerwelles Worte gebraucht".

Kanzlerin geht weiter auf Distanz

Merkel ging auf einem Kongress des Rings Christlich-Demokratischer Studenten erneut auf Distanz zu ihrem Vize, der auch ein härteres Vorgehen gegen "Leistungsverweigerer" verlangt hatte. Aus Sicht der FDP sollten die Bezüge von arbeitsfähigen "Hartz IV"-Empfängern, die zumutbare Arbeit verweigerten, gekürzt werden. Die Kanzlerin warnte am Freitagabend davor, die Realitäten auf dem Arbeitsmarkt auszublenden. Die Realität zeige, dass nicht ausreichend Angebote vorhanden seien. Insofern dürfe man "nicht Gruppen gegeneinander ausspielen".

In ihrer wöchentlichen Videobotschaft kündigte sie an, dass die Bundesregierung das "Hartz IV"-Urteil "dahingehend auswerten" werde, "dass wir die Bildungschancen von Kindern verbessern wollen". Gerade angesichts der Bevölkerungsentwicklung sei "ganz entscheidend, dass jedes Kind in unserem Lande eine faire Chance erhält". Die Karlsruher Richter hatten die "Hartz IV"-Regelsätze wegen mangelnder Transparenz für verfassungswidrig erklärt und eine Neuberechnung bis Ende des Jahres angeordnet.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), verwies auf die hohe Zahl von Zuwanderern unter den "Hartz IV"-Empfängern. "Es ist alarmierend, dass Menschen aus Zuwandererfamilien doppelt so häufig 'Hartz IV' beziehen wie Deutsche ohne Migrationshintergrund." Sie forderte daher mehr Geld für Schulen und Lehrer und eine bessere Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. "Wer auf Dauer in Deutschland leben möchte, muss die deutsche Sprache beherrschen", sagte sie und fügte hinzu: "Wer seiner Verpflichtung nicht nachkommt, muss auch mit Sanktionen rechnen."

Die vom Verfassungsgericht verlangte Härtefall-Regelung für "Hartz IV"-Bezieher könnte nach Informationen des "Focus" derweil pro Jahr Mehrkosten von voraussichtlich 100 Millionen Euro nach sich ziehen. Das Bundesarbeitsministerium gehe in einer Mitteilung an das Finanzministerium davon aus, dass für ungefähr ein Prozent der geschätzten sieben Millionen Menschen mit Anspruch auf "Hartz IV" Zahlungen von durchschnittlich 100 Euro pro Monat fällig werden.

(DDP/APN)
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