Durchschnittlich 170 Euro Weihnachtsgeschenk für Millionen Pendler

Karlsruhe (RPO). Das Weihnachtsgeschenk aus Karlsruhe kommt für Millionen Berufspendler vermutlich wie gerufen. Sie dürfen sich auf die Rückzahlung von durchschnittlich 170 Euro zuviel gezahlten Steuern freuen, weil das Bundesverfassungsgericht die Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer zur Arbeit nun für verfassungswidrig erklärte.

Pendlerpauschale: Was Sie jetzt tun müssen
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Foto: tmn

Zwar räumte das Gericht Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit dem Urteil vom Dienstag die Möglichkeit ein nachzubessern. Doch die Neuregelung kommt frühestens 2010. Bis dahin verzichtet der Finanzminister großzügig auf rund 7,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen - als "Kaufimpuls" und "zur Belebung der Konjunktur".

Dass die Urteilsverkündung für Steinbrück eine peinliche Veranstaltung geworden wäre, hat er wohl geahnt. An seiner Stelle kam die Parlamentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl (SPD), die dann den Kopf hinhalten und sich anhören musste, dass die Abschaffung der Pendlerpauschale für die ersten 20 Kilometer mangelhaft begründet und damit ungerecht und willkürlich war.

Das Gericht verwies dazu unter anderem auf das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, wonach Steuerzahler bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich zu besteuern sind. Zudem ist ihre Steuerlast nach dem für alle geltenden so genannten Nettoprinzip zu ermitteln: Danach dürfen Steuerzahler beruflich bedingte Ausgaben wie etwa Kosten für Aus- und Weiterbildung, Dienstreisen oder der doppelten Haushaltsführung geltend machen.

Wenn der Gesetzgeber nun die Pendlerpauschale aus diesem Katalog herausnehmen und Wegekosten für die ersten 20 Kilometer zur Arbeit nicht mehr berücksichtigen wolle, dann müsse er das schon sehr gut begründen, betonten die Karlsruher Richter - etwa mit "Zwecken des Gemeinwohls", "Förderungszielen" oder zur "Typisierung und Vereinfachung", heißt es im Urteil.

Dass Steinbrück die Kürzung der Pendlerpauschale aber nicht mit solchen Sachargumenten sondern allein mit der "Einnahmenvermehrung" begründete, machte sein Vorhaben verfassungswidrig: Die "Einnahmevermehrung" als einzige Begründung reiche nicht aus, weil sie so auch "willkürliche" Kürzungen zulasse.

Für Steinbrücks Staatssäckel sind damit etwa 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis Ende 2009 zwar verloren. Doch das Urteil, das keinerlei konkrete Vorgaben für die Neuregelung ab 2010 macht, liefert Steinbrück oder dessen Nachfolger jede Menge Material, um aus dem Rinnsal wieder einen Milliardenfluss zu machen. So heißt es im Urteil, dass der Gesetzgeber das System auch völlig umstellen und die Pendlerpauschale abschaffen könnte, weil sie mit Blick auf Kosten und Umwelt "gesamtwirtschaftlich unerwünschte Fehlanreize" bietet. Zu Ende gedacht könnte der Gesetzgeber für eine "gesamtwirtschaftlich effiziente Verhaltenslenkung" sogar das ökologisch bedenkliche Pendeln selbst besteuern.

Doch soweit wird wohl kein Finanzminister wegen des Widerstands aus der Bevölkerung und der Lobbyisten vom Steuerzahlerbund bis zur Autoindustrie gehen können. Die neue Bundesregierung wird nach der Bundestagswahl im kommenden Herbst deshalb voraussichtlich nur eine moderate Kürzung der Pauschale von jetzt 30 auf dann etwa 25 oder 20 Cent je Kilometer beschließen können und dazu auch auf das Urteil verweisen.

Dort wird dem Gesetzgeber ein "erheblicher Gestaltungsspielraum" bei der Festsetzung der Pauschale eingeräumt. Er dürfe etwa auch berücksichtigen, dass ein weiter Weg zur Arbeit vom Häuschen im Grünen "privat mitveranlasst" ist, und er dürfe mit Blick auf die Höhe der Pauschale auch "verkehrs-, siedlungs- und umweltpolitische Aspekte" berücksichtigen. Für den anstehenden Bundestagswahlkampf liefert das Urteil damit jede Menge Munition.

(AFP)
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