Doppelspitze bleibt Weidel musste lange bangen

Zwei Tage brauchte die AfD für ihre erste Fraktionssitzung. Die Spaltungstendenzen in der Partei spiegelten sich darin genauso wieder wie offene Rechnungen zwischen wichtigen Fraktionsmitgliedern. Schließlich setzten sich Tino Chrupalla und Alice Weidel als Fraktionschefs durch.

 AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland mit Alice Weidel auf dem Weg zur Fraktionssitzung am Donnerstag.

AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland mit Alice Weidel auf dem Weg zur Fraktionssitzung am Donnerstag.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Niemand dürfe sich das schönreden, hatte AfD-Chef Jörg Meuthen am Montag zum Stimmverlust bei der Bundestagswahl gemahnt, wo die AfD von 12,6 auf 10,3 abgesunken war. Spitzenkandidatin Alice Weidel hatte erwidert, dass sie sich das Ergebnis von niemandem schlechtreden lasse. Diese Beschreibung passt auch auf das nächste Ereignis bei der AfD: Die Konstituierung der neuen Bundestagsfraktion. Es dauerte viele Stunden über zwei Tage hinweg, bis am Donnerstag Abend Tino Chrupalla und Alice Weidel mit 50 gegen 25 Stimmen an die Spitze der neuen Bundestagsfraktion gewählt wurden.

Dabei musste Weidel zunächst eine Reihe von Dämpfern hinnehmen. Zunächst setzten Kritiker eine andere Tagesordnung durch, um erst einmal in aller Ruhe über die Gründe für das schlechtere Abschneiden am Wahlsonntag diskutieren zu können. Bei der AfD sind lange Fingerhakeleien um die Tagesordnung beliebt, weil dadurch bereits spätere Mehrheiten zu erspüren sind und die taktische Aufstellung der Gegenseite zerschlagen werden kann. Wollten die beiden Spitzenkandidaten Tino Chrupalla und Alice Weidel so schnell wie möglich auch an die Spitze der Fraktion stürmen, so wurde daraus erst einmal nichts.

Noch am Montag hatte Chrupalla davon gesprochen, dass sie als Doppelspitze zusammen am Mittwoch anträten. Doch die Mehrheit der Fraktion ließ die beiden zappeln. Ein Gruppenbild nahm genauso Zeit in Anspruch, wie die Schnittchen vor dem Fraktionssaal beim Empfang für die alten und neuen Abgeordneten, schließlich das Ringen um die Tagesordnung im Plenarsaal des Bundestages. Bald wurde es so brisant, dass alle Mitarbeiter vor die Tür geschickt wurden: Etliche AfD-Abgeordnete hatten Probleme damit, zwei unter besonderem Verdacht stehende Partei“freunde“ in die Fraktion aufzunehmen.

Matthias Moosdorf war als Mitarbeiter eines Abgeordneten in der abgelaufenen Wahlperiode in Ungnade gefallen, weil er sich wiederholt gegen den intern beliebten Fraktionschef Alexander Gauland gestellt hatte. Nun hatte er die AfD-Arithmetik durcheinander gebracht, als er als Direktkandidat in Sachsen in den Bundestag einzog. Weil so viele Direktmandate in Thüringen und Sachsen an die AfD gingen, schafften einige „gesetzte“ Größen die Wiederwahl über die Landesliste nicht. Am Ende der Debatte blieb Moosdorf in der Fraktion.

Anders erging es dem bisherigen stellvertretenden NRW-AfD-Chef Matthias Helferich. Er hatte schon im Wahlkampf für Schlagzeilen gesorgt und eilige Abgrenzungsbemühungen ausgelöst. Weil er sich vor vier Jahren in einem öffentlichen Chat als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte, wollte der Bundesvorstand mit dieser offensichtlichen Nazi-Nähe nichts zu tun haben und verhängte ein Ämterverbot gegen Helferich. Eine Mehrheit des Vorstandes hielt ihm jedoch zugute, dass er dies nur persiflierend als Charakterisierung durch Linke erwähnt haben wollte - und versagte Meuthen den Wunsch, Helferich sogleich ganz aus der Partei auszuschließen.

Bei der Konstituierung erlebte der Streit eine Neuauflage. Und dieses Mal wurde der Druck auf Helferich offenbar so groß, dass er aufstand und die Sitzung verließ. Er wurde dann auch kein Mitglied der neuen AfD-Fraktion, gilt erst einmal als fraktionslos. Ob er einen Antrag auf Gaststatus bei der AfD stellt und wie sich die Fraktion dann dazu verhält, wird sich erst bei der nächsten Sitzung zeigen und entscheiden.

Zäh robbte sich die AfD dann am Donnerstag an die Personalie Weidel heran. Die erste Hürde nahm sie, als ein Vorstoß einiger Weidel-Kritiker scheiterte, den Passus einer Doppelspitze aus der Arbeitsordnung der Fraktion zu streichen und stattdessen nur noch einen Fraktionsvorsitzenden zu wählen. Danach stand Weidel vor der nächsten Hürde: Sie wollte mit Chrupalla als Tandem antreten und zusammen mit ihm gewählt werden. Andere plädierten dafür, über die beiden Fraktionschefs getrennt abzustimmen. Das war der Moment, an dem sich auch Gauland entschloss, noch einmal für Weidel einzuspringen und daran zu erinnern, dass er als Team mit ihr in der vergangenen Wahlperiode gut zusammengearbeitet habe. Als Ergebnis nahm Weidel auch diese Hürde. Allerdings gab kam der Antrag auf getrennte Abstimmung nur wegen Stimmengleichstandes nicht durch.

Die zähen Auseinandersetzung um Positionen und Personen dürften nur ein Vorgeschmack darauf sein, was die AfD bei ihrem Bundesparteitag im Dezember in Wiesbaden beschäftigen wird: Eine Richtungsentscheidung, die Parteichef Jörg Meuthen bereits beim Parteitag vor einem Jahr in Kalkar erzwingen wollte und die ihn um ein Haar das Amt gekostet hätten. E ine Niederlage droht ihm auch jetzt. Allerdings hat er noch nicht erklärt, ob er überhaupt ein weiteres Mal antritt.

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