Ehemaliger Generalinspekteur Bagger "Wehrpflichtverkürzung ist Unsinn"

Halle (RPO). Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Hartmut Bagger, hält eine mögliche Verkürzung der Wehrpflicht für "Unsinn". In sechs Monaten könne man einem Wehrdienstleistenden gerade einmal militärische Grundkenntnisse vermitteln.

 Die Schwarz-Gelbe-Koalition will die Wehrpflicht verkürzen.

Die Schwarz-Gelbe-Koalition will die Wehrpflicht verkürzen.

Foto: AP, ASSOCIATED PRESS

Die Möglichkeiten der fachlichen Qualifikation der Wehrdienstleistenden seien allerdings beschränkt, sagte er gegenüber "MDR Info". Er sei zudem nicht mehr in der Lage, die erlernten Kenntnisse anzuwenden und zu erproben.

Statt die Wehrpflicht zu verkürzen, wäre es sinnvoller, sie ganz zu streichen. Es gebe genug Beispiele europäischer Länder, die die Wehrpflicht so weit reduziert hätten, dass sie letztlich nicht mehr zu halten gewesen sei. Die Erfahrung aus solchen Fällen zeige, dass die Armee erstens teurer werde und außerdem die Qualität sinke. Bagger betonte: "Das ist grober Unfug. Das soll man sein lassen."

Bundeswehrverband für Wehrpflichtkürzung

Der Bundeswehrverband ist hingegen offen für eine Wehrpflichtverkürzung. Die von der schwarz-gelben Koalition erwogene Verkürzung von neun auf sechs Monate würde aus Sicht des Bundeswehrverbands die Wehrgerechtigkeit erhöhen. 100 Prozent Gerechtigkeit habe es in der Frage noch nie gegeben, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch am Freitag. SPD und Grüne kritisierten eine solche Verkürzung.

Bei einer kürzeren Wehrdienstzeit wäre "die Chance gegeben, mehr Grundwehrdienstleistende einzuziehen", sagte Kirsch im ZDF-Morgenmagazin. Somit käme man der Wehrgerechtigkeit etwas näher. Im vergangenen Jahr wurden Erhebungen zufolge nur etwa 15 Prozent aller Gemusterten eingezogen.

Kirsch sagte, man müsse auch sicherstellen, dass der geleistete Dienst "so sinnvoll ist, dass wir auch junge Menschen überzeugen, dass es gut ist, dass wir sie über ein halbes Jahr oder im Moment noch neun Monate aus ihren Lebensumständen herausnehmen". Man müsse die Pflicht "auch über die Aufgabe begründen". Das fehle derzeit ein wenig.

Bundeswehr offen für freiwilligen Wehrdienst

Der Einführung eines grundsätzlich freiwilligen Wehrdienstes stehe die Bundeswehr "durchaus offen" gegenüber, sagte Kirsch weiter. Dies bedürfe aber einer Änderung des Grundgesetzes mit Zwei-Drittel-Mehrheit: "Das wird im Moment keiner lösen können."

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, bemängelte: "Der Wehrdienst verkommt zum reinen Schnupperkurs." Er erfülle bei einer sechsmonatigen Dauer nur noch den Zweck, Nachwuchs für die Streitkräfte zu gewinnen. Eine sicherheitspolitische Begründung für den Wehrdienst gebe es damit nicht mehr. Außerdem werde der Ausbildungsaufwand an Personal, Material und Infrastruktur riesig. Etwas Brauchbares für die Bundeswehr springe dabei aber nicht heraus.

Die Grünen-Experten Omid Nouripour und Kai Gehring nannten die mögliche Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate eine Farce. "Die Wehrpflicht muss endlich vollständig abgeschafft und die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee umgewandelt werden", forderten sie. Der FDP warfen sie vor, eingeknickt zu sein, nachdem sie im Wahlkampf noch lauthals die Abschaffung der Wehrpflicht versprochen hatte. Auch die Linkspartei ist für die Abschaffung der Dienstpflicht.

Über die Verkürzung des Wehrdienstes hat die neue Koalition noch nicht endgültig entschieden. Bis zu 40 Prozent des guten Nachwuchses rekrutiert die Bundeswehr laut Kirsch derzeit über den Wehrdienst.

(DDP/awei)
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