SPD-Grundsatzprogramm Wege aus dem Jammertal

Düsseldorf (RP). Vor dem Eingang zum Saal werden Fan-Artikel verkauft. Ein SPD-Schal aus Kaschmir kostet 51 Euro, SPD-Badeschlappen 10 Euro, zum gleichen Preis ist die CD "Völker hört die Signale - Lieder der europäischen Arbeiterbewegung" zu haben. Für jeden etwas. Typisch? Guntram Schneider, DGB-Chef von NRW, steht gegenüber an einem Tisch und grollt. "Die SPD muss endlich ihr soziales Profil zurückgewinnen. Die Partei braucht eine Adrenalinspritze, um der Lähmung, die sich in den letzten Monaten eingestellt hat, zu entrinnen."

Regionalkonferenz West der SPD im Bonner Maritim Hotel. 1000 Mitglieder aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen haben sich versammelt, um über das neue Grundsatzprogramm zu diskutieren. Quo vadis, SPD? Die Stimmung ist gedrückt. Eine Umfrage sieht die SPD im Bund nur noch bei 25 Prozent. "Jetzt haben wir auch noch die Rente mit 67 beschlossen", klagt Willi Barse, Bundestagsabgeordneter aus Siegen. "Gleichzeitig will Steinbrück die Unternehmensteuer senken. Die Genossen im Wahlkreis fragen mich: ,Habt ihr sie eigentlich noch alle?'"

Im Saal spricht der Vorsitzende Kurt Beck. Nicht immer ist es leicht, seinen Ausführungen zu folgen. "Wir müssen es auf den Weg bringen, dass die Leute es spüren, dass das, was wir erreichen, nicht nur auf der Kapitalseite sichtbar wird, sondern auch bei den Menschen", sagt Beck. Wenn er laut wird, ist das meist das Startzeichen für Applaus. "Kohl war auch kein guter Redner", sagt Guntram Schneider. "Die Leute wollen keine Linguisten. In der Politik sind echte, authentische Typen erfolgreich."

Auf dem Podium sitzt die Spitze der Bundes-SPD. Vize kanzler Franz Müntefering, Finanzminister Peer Steinbrück, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt haben sich eingefunden. Beck dankt ihnen ausdrücklich für ihre "hervorragende Arbeit". Den meisten Beifall erhält allerdings Gastgeberin Bärbel Dieckmann, die Oberbürgermeisterin von Bonn. In der großen Koalition lasse sich eben vieles nicht durchsetzen, sagt Beck. Ohne Einschnitte sei der notwendige Umbau der Sozialsysteme nicht möglich. "Der Rente mit 67 auszuweichen, wäre Selbstbetrug."

"Eintreten - für die soziale Demokratie", steht als Slogan neben dem SPD-Logo. Menschlichkeit müsse der "zentrale Maßstab" in der Gesellschaft sein, macht Beck klar. Sozialstaatlichkeit dürfe niemals "zu einem lästigen Übel" werden.

Beck verteidigt die Senkung der Unternehmensteuer. Gleichzeitig wird klar, dass die SPD sich wieder intensiv als Arbeitnehmerpartei profilieren will. Mit der Leidenschaft, soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen, könne die innere Bindekraft der SPD wachsen. Die Partei startet eine Kampagne gegen Lohndumping. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil enthüllt ein Plakat mit der Aufschrift: "Lohndumping verboten! Für Mindestlöhne".

Wer "ordentlich und vollschichtig" arbeite, müsse auch "ordentlich und anständig davon leben können", fordert Beck. Die Gestaltung der Welt müsse in den Händen der Menschen bleiben und dürfe nicht "anonymen Kapitalströmen" überlassen werden, fügt er hinzu.

Die SPD schärft ihr soziales Profil - Hannelore Kraft, die neue Landesvorsitzende der SPD, fordert eine Politik der "klaren Kante" gegen CDU und FDP. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gebe den Arbeiterführer, gleichzeitig schneide er die Mitbestimmung weg. Klare Worte, die bei den Delegierten ankommen. Die Adrenalinspritze?

"Hannelore Kraft hat sich in erstaunlich kurzer Zeit in ihre neue Rolle eingefunden", sagt Gabi Frechen, SPD-Bundestagabgeordnete aus dem Rhein-Erft-Kreis. "Sie hat eine gute Chance, die Wahl in NRW zu gewinnen. Dann kommt sie auch in Berlin für jedes Amt in Frage."

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