USA-Besuch des Kirchenoberhaupts Washington erwartet den Papst

Washington (RP). Benedikt XVI. besucht am Dienstag zum ersten Mal die amerikanische Hauptstadt. Jeder dritte der 65 Millionen US-Katholiken stammt aus Lateinamerika: Und die Erwartungen der "Hispanics" an ihr Kirchenoberhaupt sind hoch.

Papst Benedikt XVI., sein Leben, sein Wirken
30 Bilder

Papst Benedikt XVI., sein Leben, sein Wirken

30 Bilder

Die Flaggen fallen sofort ins Auge. In Doppelreihe hängen sie zu beiden Seiten der Kirchentür, 36 Fahnen, als wäre das hier kein Gotteshaus, sondern eine Filiale der Vereinten Nationen. Das Blau-Weiß-Blau El Salvadors ist zu sehen, die Trikolore Mexikos - Lateinamerika, wohin man blickt.

Es gab eine Zeit, da kam Stephen Carter kaum noch hinterher mit den Flaggen, so rasant veränderte sich Columbia Heights, das Viertel, in dem seine Kirche steht. Und wenn er nicht gleich merkte, dass nun zum Beispiel auch Bolivianer in seinem Gottesdienst saßen, meldeten sich die Vergessenen schnell zu Wort. "Herr Pfarrer, sollen wir Ihnen Geld geben, damit Sie unsere Fahne kaufen können?" Wenn Carter die Anekdote erzählt, lacht er ein lautes, gutmütiges Lachen.

Drei Messen auf spanisch

Die Sacred Heart Church, eine prächtige Basilika mit ausladender Kuppel, könnte auch in Mexico City oder Managua stehen. Drei Messen werden sonntags auf Spanisch gelesen, nur noch eine in Englisch. 1979, als Carter anfing, war es umgekehrt. Der bärtige Mann in der dunkelbraunen Kutte hat beizeiten ein sicheres Gespür für das Neue bewiesen. Auf Puerto Rico lernte er so gut Spanisch, dass er heute keinen Dolmetscher braucht.

Nicht nur die Sprache hat sich verändert, verändert haben sich auch die irdischen Sorgen der Menschen, die den Pastor bewegen. Früher saßen Gläubige mit deutschen und irischen Wurzeln in den Bankreihen. Heute sind es Malocher, die ihre Familien im ärmeren Teil Amerikas zurückließen, weil sie sich erst durchschlagen müssen. Zu acht teilen sie sich eine Wohnung, halten nach außen zusammen wie Pech und Schwefel, fühlen sich innerlich einsam. Manche scheitern, enden wie die Obdachlosen, die, in schmutzige Schlafsäcke gehüllt, am Zaun der Basilika kauern.

14 Stunden am Tag schuften

Da sind die Kinder älterer Einwanderer, Kinder von Eltern, die 14 Stunden am Tag schuften. Sie schließen sich Banden an, nehmen Drogen. Die meisten, die in Columbia Heights leben, wurden bei Nacht und Nebel über die mexikanische Grenze geschleust. Jahrelang hat man sie toleriert, weil sie als billige Maurer, Putzfrauen und Gärtner gebraucht wurden. Doch mit der aufziehenden Rezession weht ein kälterer Wind, weshalb sich Carter klare Worte vom Papst erhofft. "Ihr Amerikaner habt das Glück, in einem der reichsten Länder der Welt zu leben. Habt keine Angst vor den Illegalen, sie sind Menschen wie ihr." So ungefähr, findet der Seelsorger, sollte es sein Kirchenfürst ruhig einmal sagen.

Dies ist die Lage, die Benedikt XVI. erwartet, wenn er am Dienstag in den USA landet. Er trifft George W. Bush im Weißen Haus, spricht in New York vor den Vereinten Nationen, ehrt am Ground Zero die Toten des Terrorinfernos vom 11. September. Der Auftritt, dem Stephen Carter entgegenfiebert, geht in einem Baseballstadion über die Bühne. In der neuen Arena der Washington Nationals zelebriert Benedikt am Donnerstag vor 45000 Zuschauern eine Messe. Der Andrang war so groß, dass ausgelost werden musste. Hinter den Kulissen kämpft der Priester darum, dass seine Gemeinde doch noch ein paar Tickets mehr erhält: "Lateinamerika liebt nun mal den Papst."

Hispanics Stütze der Kirche

Ohne die Hispanics, die Spanischsprechenden, wäre die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten auf dem absteigenden Ast. Pädophile Priester, bis in die 1990er Jahre unbehelligt am Werk, haben Tausende missbrauchter Opfer als seelische Wracks zurückgelassen und sechs Diözesen in die Pleite getrieben, weil zwei Milliarden Dollar Schadenersatz eingeklagt wurden. Es hagelte Austritte, die Hispanics gleichen den Aderlass aus. Jeder Dritte der 65 Millionen US-Katholiken stammt aus Lateinamerika, bei Gläubigen unter 40 ist es die Hälfte. "Sie erwarten einfache, menschliche Gesten von ihrem Papst", sagt Carter, "etwas, das Johannes Paul II. so hervorragend konnte."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort