Fragen und Antworten Was sich bei der Organspende ändern soll

Berlin/Düsseldorf · Die Zahl der Organspenden soll sich erhöhen. Dazu liegen bisher zwei Reformideen vor. Der Bundestag könnte noch 2019 abstimmen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 Ein Transplantationsmediziner hält in der Pathologie des Südstadt-Klinikums in Rostock das Herz eines Verstorbenen in den Händen, das kurz zuvor entnommen wurde.

Ein Transplantationsmediziner hält in der Pathologie des Südstadt-Klinikums in Rostock das Herz eines Verstorbenen in den Händen, das kurz zuvor entnommen wurde.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Etwa 9400 schwerkranke Menschen warten in Deutschland auf ein Organ. Im vergangenen Jahr gab es aber nur 955 Spender. Über die Parteigrenzen hinweg herrscht Einigkeit, dass es künftig mehr Organspenden geben soll. Nun hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Abgeordneter gemeinsam mit anderen Parlamentariern einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt, wonach es künftig eines Widerspruchs bedarf, um nicht als Organspender zu gelten. Ein anderer Vorschlag kommt von einer Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock, die lediglich eine strukturelle Abfrage der Spendenbereitschaft einführen will. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Details.

Was gilt heute? In Deutschland besteht die Entscheidungsregelung, bei der jeder Krankenversicherte ab dem 16. Lebensjahr regelmäßig über die Möglichkeit einer Organspende nach dem Hirntod informiert wird. Wer einen Organspendeausweis bei sich führt, kann darin seine Bereitschaft zur Spende dokumentieren. Ob der Verstorbene seinen Willen zur Organspende dokumentiert oder mündlich mitgeteilt hat, klärt in den meisten Fällen der behandelnde Arzt mit den Angehörigen, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation mitteilt. Das gilt in der Praxis auch, wenn ein Organspendeausweis vorliegt. Ist keine Entscheidung bekannt, werden die Angehörigen gebeten, nach dem vermuteten Willen des Verstorbenen oder nach eigenen Wertvorstellungen zu entscheiden.

Was wollen Spahn und seine Mitstreiter? Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass jede meldepflichtige Person ab 18 Jahren grundsätzlich als Organ- und Gewebespender gilt. Allerdings ist es ohne Angaben und zu jeder Zeit möglich, dem zu widersprechen. Der Widerspruch soll in einem zentral geführten Register hinterlegt werden, möglich wäre aber auch eine Widerspruchserklärung gegenüber Angehörigen. Auch eine Zustimmung zur Organspende kann in dem Register dokumentiert werden, ebenso eine auf bestimmte Organe reduzierte Zustimmung. So könnte etwa einer Entnahme der Augen widersprochen werden. Bei Menschen, die aufgrund einer Behinderung oder Krankheit nicht in der Lage sind, die Entscheidung zu treffen, soll eine Entnahme der Organe nicht möglich sein.

Wer führt das Register, und wer nimmt den Eintrag vor? Dem Entwurf zufolge soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das Register aufbauen. Anfangs sollen Ärzte nach einem Aufklärungsgespräch den Eintrag veranlassen, mittelfristig sollen das die Bürger aber auch selbst machen können. Ferner sieht der Reformvorschlag vor, dass jede Person ab 16 Jahren von der Bundeszentrale mehrfach schriftlich über die Widerspruchsmöglichkeit informiert wird.

Was käme auf die Angehörigen zu? Anders als heute hätten sie dem Entwurf zufolge kein eigenes Entscheidungsrecht, könnten dem Arzt also lediglich den Willen des Verstorbenen mitteilen. Ist den Angehörigen kein Widerspruch (schriftlich oder auch nur mündlich) bekannt, wird grundsätzlich die Organspendebereitschaft angenommen. Verweist aber der Angehörige darauf, dass der Verstorbene vor seinem Tod seine Meinung geändert habe, wäre eine Organentnahme unzulässig.

Wann wäre eine Organentnahme möglich, und wie passt das zu einer Patientenverfügung? Eine Organspende wäre auch künftig nur nach dem Hirntod möglich. Dieser muss seit dem 1. April von zwei unabhängig voneinander agierenden Ärzten, die nichts mit der Organentnahme zu tun haben, diagnostiziert werden. Liegt eine Patientenverfügung vor, die etwa lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt, kann das die Spende gefährden. Spahn erwägt daher, die Musterverfügung so anzupassen, dass zwar lebensverlängernde Maßnahmen untersagt, die Organe aber mit entsprechenden Maschinen für einen kurzen Zeitraum transplantierfähig gehalten werden können.

Ist die Widerspruchsregelung in anderen Ländern ein Erfolg? Das ist pauschal schwer zu beantworten. Spanien gilt als Vorzeigeland. 2016 lag der Wert der Organspenden bei 43,8 Organspendern pro eine Million Einwohner. Damit belegt Spanien einen Spitzenplatz. Auch in Kroatien gilt die Widerspruchslösung als Erfolg. Im Jahr 2013 hätten sich weniger als 3000 Kroaten gegen eine Organspende entschieden, berichtet der wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Kritiker der Widerspruchslösung verweisen häufig auf Schweden, wo es nach der Einführung dieses Modells keine positiven Veränderungen gab. Tatsächlich ist die Zahl der Organspender im internationalen Vergleich recht gering. Sie entsprach 2016 einem Wert von 19,7 pro eine Million Einwohner. Ferner geht aus dem Bericht des Bundestags hervor, dass die niedrige Spenderrate in Schweden mit der hohen Verkehrssicherheit in Zusammenhang steht. So sei die Zahl von Verkehrstoten sehr gering. Zudem seien die Personalressourcen und Bettenkapazitäten auf Intensivstationen zurückgegangen.

Wo ist der Unterschied zu der Gruppe um Baerbock? Ihr Konzept sieht verbindliche, regelmäßige Befragungen vor, nicht aber die Grundannahme zur Spendenbereitschaft. Bürger sollen Erklärungen zur Organspende dann beim Abholen des Personalausweises dem Passbeamten mitteilen und in ein Register eintragen können. Dafür sollen Ämter Info-Material ausgeben, aber nicht selbst beraten. Noch liegt der Entwurf nicht vor. Ist das in einigen Wochen der Fall, könnte der Bundestag noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällen. Die Abstimmung soll nach einer breiten Debatte ohne Fraktionszwang erfolgen.

(jaco/jd)
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