Besuch auf geschichtsträchtigem Boden Was Merkel beim Papst erwartet

Rom (RP). Papst Benedikt XVI. nutzt die Stille seiner Sommerresidenz Castelgandolfo, um in Privataudienzen sehr persönliche Gespräche führen zu können. Heute empfängt er die Kanzlerin. Es ist ein Besuch auf geschichtsträchtigem Boden.

Weite Flure und hohe Palastmauern wird Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht erwarten dürfen, wenn sie den Papst in Castelgandolfo besucht. Was Papst Urban VIII. 1624 auf der oberen Kante des erloschenen Vulkankraters am Albaner See errichten ließ, war Zweckarchitektur. Vier Flügel umfasst der Palast mit einem Innenhof, in dem die Kanzlerin einfahren wird. Rechterhand erreicht sie über wenige Treppen die Repräsentationsräume, die unter Alexander VII., Clemens VIII. und Pius XI. weiter ausgebaut und verschönert wurden. Folgen dürfen der Kanzlerin nur wenige, die Mitarbeiter und das Sicherheitspersonal werden im zeltüberspannten Cortille warten.

Die Sommerresidenz des Papstes in Castelgandolfo ist schön - und klein. Nach den Lateranverträgen von 1929, die den Vatikanstaat zu einem Staat machten, ist der Papstsitz eine exterritoriale Zone des Zwergstaates. Nur wenige vatikanische Bedienstete haben hier Platz.

Wie im großen Pendant - dem Apostolischen Palast im Vatikan - gibt es immerhin einige wenige Räume, die Angela Merkel durchschreiten muss, um dann ein letztes Mal in der "anticamera", dem Vorzimmer, durchzuatmen, bevor sie dem Papst hinter einer schweren Eichentür "Guten Tag" sagen kann.

Beim letzten Mal hat sie das noch im bescheidenen Empfangsraum des Kölner Erzbischofs beim Weltjugendtag gemacht. Jetzt gibt es immerhin fantastische Marmorfußböden, die unter den Papstarchitekten Carlo Maderna und Domenico Castelli entworfen wurden. Angela Merkel wird sich zunächst alleine mit Benedikt XVI. unterhalten, nachher wird sie zu einem Fototermin die Delegation vorstellen.

Castelgandolfo liegt auf den Trümmern des antiken Alba Longa, das von Ascanius, besser bekannt als Sohn des Aeneas, begründet wurde. Malerisch thront das Dorf mit Blick in die römische Ebene und auf die im Süden sich erhebenden Bergkegel. Nur sonntags ist es im Sommer richtig voll, wenn der Papst den Angelus öffentlich betet. Ansonsten kommen nur wenige Besucher in das schmale Straßendorf mit zwei guten Restaurants und einigen Einkaufsläden. Die "Castelli Romani" und der "Frascati" sind hier zu Hause. Auch beim Papst gibt es manchen guten Tropfen davon im Garten oder auf der Terrasse. Hier oben weht immer ein angenehm kühler Wind, ein guter Grund, warum sich der Papst fast zwei Monate dorthin zurückzieht.

In den Räumen des Palastes, der erst vor wenigen Monaten frisch renoviert wurde, kann die Kanzlerin von außen niemand erkennen. Die schönste Aussicht wird sie auf einer Terrasse haben, von der schon Johannes Paul II. George Bush erklärt hat, wie die Albaner Berge als Vulkanmassiv entstanden sind. Wenn die Kanzlerin um ein paar Ecken blickt, wird sie ein von Amerikanern finanziertes kleines Schwimmbad sehen können.

Auch zeigen Prälaten des Protokolls ihr gerne die altehrwürdige Sternwarte. 1891 erbaut und mit einem Zeiss-Teleskop ausgestattet, gilt sie als eines der ältesten Observatorien weltweit. Bereits vor 400 Jahren erhielten die Jesuiten den Auftrag zur Sternenbeobachtung - und machen das auch noch heute im Vatikan.

Viel Zeit bleibt Angela Merkel nicht, denn die 55 Hektar päpstliche Fläche sind mehr als der Hauptpalast. Die malerischen Gärten am anderen Ende des Dorfes wird sie vielleicht anschauen, wenn es das Protokoll vorsieht, allerdings ohne den Papst. Diese liegen auf antiken Mauern, beherbergen seltene Pflanzenarten, ein altes Nymphenheiligtum und labyrinthähnliche Gänge, kunstvoll aus Buchsbaum geschnitten. Die Hälfte der Gärten wird als Bauernhof genutzt, der berühmt wurde, als die päpstliche Geflügelzucht wegen der Vogelseuche für Monate im Stall verschwinden musste. Wenn die Wagenkolonne Castelgandolfo verlassen hat, fällt über das Städtchen schnell wieder die schläfrige Stille der sommerlichen Wärme. Dann ist Siesta.

(Rheinische Post)
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