Regierung setzt neuen Ausschuss ein Was man zum Thema Armutszuwanderung wissen muss

Düsseldorf · Die Debatte über angebliche Armutszuwanderer aus Südosteuropa beschäftigt nun ein eigenes Gremium der Bundesregierung. Das Bundeskabinett setzte am Mittwoch einen Staatssekretärs-Ausschuss ein. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Blick auf Duisburgs "Problemhaus" in Rheinhausen
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Foto: dpa, obe hpl

Was ist die Aufgabe des neuen Ausschusses? Die Runde soll prüfen, ob und wie die Regierung gegen einen möglichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Bürger anderer EU-Staaten vorgehen sollte. Der Arbeitsgruppe gehören nach Angaben aus Regierungskreisen Staatssekretäre von elf Ministerien sowie der Staatsministerin für Integration an.

Die Leitung soll gemeinsam beim Innen- und Arbeitsministerium liegen. Die Runde soll darüber beraten, ob und wenn ja welche Maßnahmen durch den Bund gegen einen möglichen Missbrauch ergriffen werden sollen.

Warum gibt es dieses Gremium? Damit reagiert die neue Regierung auf Wünsche vieler Kommunen nach einer stärkeren Bundeshilfe bei der Bewältigung einer verstärkten Zuwanderung sowie auf widersprüchliche Gerichtsurteile zu der Frage, ab wann Zuwanderer aus EU-Staaten bestimmte Sozialleistungen erhalten sollen.

Wer löste die Debatte aus? Die CSU. Sie warnt anlässlich der Öffnung des Arbeitsmarktes für Rumänen und Bulgaren vor einer verstärkten Armutszuwanderung nach Deutschland.

Was meint die CSU mit "Armutszuwanderung"? Die CSU beschreibt damit den Zuzug gering qualifizierter Migranten, die nach ihrer Einschätzung in Deutschland vor allem Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Die Partei will ihnen den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren.

Was sieht das EU-Recht derzeit vor? Seit dem 1. Januar 2014 gilt für Bulgaren und Rumänen die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Das heißt, sie können auch in Deutschland unbeschränkt Arbeit suchen. Und nach einer Sperrfrist von drei Monaten Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

Was sind die Fakten? Experten halten es für ungerechtfertigt, pauschal von Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien zu sprechen. Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren zur Jahresmitte 2013 nur 0,6 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Bulgaren und Rumänen. Obwohl die Zuwanderer aus diesen Ländern im Schnitt geringer qualifiziert sind, lag die Arbeitslosenquote für beide Nationalitäten Mitte 2013 unter dem Schnitt der Gesamtbevölkerung und deutlich unter der anderer Migrantengruppen.

Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch vermeldet, steigt die Einwohnerzahl Deutschlands 2013 auf 80,8 Millionen Menschen. Ursache hierfür sind die erneut hohen Wanderungsgewinne gegenüber dem Ausland, die die Differenz aus Geburten und Sterbefällen mehr als nur ausgleichen konnten. Besonders stark war die Zuwanderung aus Osteuropa und den Euro-Krisenländern.

Welche deutschen Regionen sind vom Zuzug besonders betroffen? Für die Kommunen problematisch ist die Konzentration vieler Empfänger staatlicher Leistungen in einzelnen Orten. Probleme gibt es etwa in Duisburg, Dortmund und Berlin, wo der Anteil der Arbeitslosen und Hartz-IV-Bezieher unter den Rumänen und Bulgaren besonders hoch ist.

Welche Position hat der Deutsche Städtetag? Er fordert mehr Unterstützung der Bundesregierung. "Die bisher von der Koalition vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht ausreichend, um das Problem zu lösen", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Jenseits des politischen Streits der vergangenen Tage wäre viel gewonnen, wenn sich die große Koalition darauf verständigen könnte, auf die im Koalitionsvertrag anerkannte Belastung in einigen Städten durch Armutszuwanderung konkret zu reagieren."

Was schlägt der Städtetag vor? Unter anderem sollten EU-Bürger einen Rechtsanspruch auf Teilnahme an Integrationskursen erhalten. Dennoch wolle der Städtetag die Lage nicht dramatisieren. "Viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien leben gut integriert in den Städten und dürfen nicht unter Pauschalurteilen leiden", sagte Articus.

Gibt es Unterstützer der CSU-Pläne? Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach verteidigte die Position der CSU in der Debatte. "Was die CSU sagt, entspricht ziemlich genau dem, was bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD besprochen worden ist. Deswegen ist die hitzige Debatte der vergangenen Tage ziemlich überraschend", sagte Bosbach im rbb-inforadio.

Wer kritisiert das Vorgehen der CSU? SPD, Grüne sowie die Caritas hatten die Wortwahl der CSU scharf kritisiert. Auch die Linke sprach sich gegen die Forderungen der Christsozialen aus. "Die Zahlen sprechen ja eindeutig gegen die Behauptungen der CSU, dass wir es hier mit der Armutswanderung zu tun haben. Wir haben Menschen, die Arbeit suchen", sagte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger dem Sender n-tv.

Wie ist die Haltung der deutschen Bevölkerung? Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zufolge finden 60 Prozent der Deutschen die Angst vor sogenannter Armutszuwanderung berechtigt, 36 Prozent halten dies für übertrieben.

(nbe)
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