Politik streitet über Schweizer Steuerdaten Was macht Schäuble?

Berlin (RP). Finanzminister Wolfgang Schäuble steht vor der Grundsatzfrage, ob er 2,5 Millionen Euro für gestohlene Daten zahlen soll, um 1500 Steuerflüchtlingen in der Schweiz auf die Spur zu kommen.

Soll der Staat mit Kriminellen Geschäfte machen, um Steuerflüchtlinge schnappen zu können? Über diese Frage ist erneut Streit entbrannt, seit der FAZ die Information zugespielt wurde, wonach Finanzminister Wolfgang Schäuble ein "Geschäft” nahegelegt wurde: Ein anonymer Datensatz-Besitzer will 1500 Steuerhinterzieher ans Messer der deutschen Behörden liefern, wenn er dafür 2,5 Millionen Euro bekommt. Ein unmoralisches Angebot?

Nein, sagt die SPD. "Unbedingt kaufen”, rät ihr Finanzexperte Joachim Poß. Seine Parteifreundin Nicolette Kressl rechnet vor: "Wenn zu einem Preis von 2,5 Millionen Euro 100 bis 200 Millionen Euro hinterzogener Steuern eingezogen werden können, sollte die Regierung nicht zögern.”

SPD und Grüne ergänzen die Debatte sogleich um die Vermutung, Union und FDP würden auch hier wieder "Klientelpolitik” betreiben und die Steuerhinterzieher schonen wollen.

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Otto Fricke verweist jedoch auf die "alte Regel: keine Geschäfte mit Kriminellen”. Auch Unions-Mittelständler Michael Fuchs wendet sich vehement dagegen, "Diebe belohnen” zu wollen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat ebenfalls Probleme damit, Geld auszugeben für etwas, das "auf rechtlich fragwürdigem Wege in jemandes Besitz gelangt ist”.

Finanzausschuss-Chef Volker Wissing (FDP) will zumindest einen Kauf daraufhin geprüft wissen, ob er "rechtlich einwandfrei” möglich ist. Geprüft hat Schäuble zumindest bereits, ob es mal wieder einer der windigen Trittbrettfahrer ist, die mit fingierten Daten den schnellen Euro machen wollen. Fünf, vom Unbekannten vorab gelieferten Beispielfällen ließ Schäuble nachgehen ­ und in jedem einzelnen ergab sich eine Steuernachforderung des Fiskus von mindestens einer Million Euro.

Bereits Schäuble-Vorgänger Peer Steinbrück hatte vor zwei Jahren vor einer ähnlichen Frage gestanden ­ und letztlich über den Bundes-Nachrichtendienst rund fünf Millionen an einen Unbekannten gezahlt. Damals ging es um Daten aus Liechtenstein. Es wurde eine lohnende Investition, denn in der Folge nahm der Staat rund 150 Millionen Euro aus Nachzahlungen ein. Wie damals verweist das Bundesfinanzministerium wieder darauf, dass es ja eigentlich gar nicht zuständig sei. Formal müssen die Ankäufe über die Landesfinanzbehörden laufen, die nun auch im Fall Schweiz zu befinden haben.

Der Streit unter den Politikern spiegelt die Auseinandersetzung unter Juristen wider. Sie haben in der Mehrzahl Sympathie für das Bild vom "Baum der vergifteten Früchte”. Nach diesem amerikanischen Rechtsprinzip sollen im Strafprozess alle Erkenntnisse nicht verwendet werden dürfen, die auf illegalem Weg gewonnen wurden. Die deutsche Rechtsprechung folgt dem jedoch nicht bedingungslos. Es komme immer auch auf die Schwere der Straftat und die Tiefe des Eingriffs in die Grundrechte des Beschuldigten an, urteilte der Bundesgerichtshof.

Und da liegt im aktuellen Fall der springende Punkt. Die Daten sind zwar offenkundig Banken gestohlen worden. Aber in die Grundrechte der Steuerflüchtlinge wurde damit nicht eingegriffen. Im Gegenteil: Die Daten hätten dem Staat nach deutschem Recht sogar zur Verfügung gestellt werden müssen. Zudem trifft die Angelegenheit in eine knifflige Grauzone. Freiheiten, die das Strafrecht jedem Beschuldigten garantiert, akzeptiert das Steuerrecht nur bedingt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
"Jetzt kaufen!"
Politiker streiten über Steuersünder-Datei "Jetzt kaufen!"
Aus dem Ressort