Verfassungsgericht prüft Hartz-IV-Regelsätze Was Kinder brauchen

(RP). Das Verfassungsgericht überprüft die Regelsätze für alle Hartz-IV-Empfänger. Für Kinder müssen die Leistungen völlig neu berechnet werden. Drei Familien hatten geklagt. Was wird in Karlsruhe genau verhandelt?

21 Euro für Schuhe - die Hartz-IV-Sätze für Kinder
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Foto: ddp

Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die pauschal errechneten Geldleistungen für den Lebensunterhalt von Langzeitarbeitslosen und deren Kinder den Vorgaben der Verfassung entsprechen. Die Richter des Bundessozialgerichts hatten Anfang des Jahres in den pauschalierten Sätzen Verstöße gegen die Menschenwürde, gegen das Sozialstaatsprinzip und gegen das Gebot der Gleichbehandlung gesehen.

Beispiel: Kinder, deren Eltern nicht Hartz IV beziehen, aber auch auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind, können Extra-Winter-Schuhe beantragen. Kinder von Hartz-IV-Empfängern können das nicht.

Wer steckt hinter der Klage? Ursprünglich geklagt hatten drei Familien aus NRW, Hessen und Bayern, die von Hartz IV leben. Sie wehren sich dagegen, dass sie für ihre Kinder unter 14 Jahre im Jahr 2005 jeweils nur 207 Euro pro Monat erhalten hatten. In den Verhandlungen sagte der Kläger aus Hessen, Thomas Kalley, er habe für seine dreiköpfige Familie monatlich 700 Euro zum Leben. Für Schulbücher habe er einen Kredit aufnehmen müssen.

Welche Kritikpunkte gibt es gegen die Pauschalsätze? Im Mittelpunkt der Kritik bei Sozialverbänden und auch bei einer wachsenden Zahl von Politikern steht, dass Kinder quasi als kleine Erwachsene behandelt werden. "Die bisherigen Leistungen für Kinder wurden nicht nach dem Bedarf der Kinder festgesetzt. Im Ergebnis müssen die Leistungen höher ausfallen", sagte Ulrike Mascher, Vorsitzende des Sozialverbandes VdK. "Im Regelsatz der Erwachsenen ist kein Cent für Bildung enthalten. Das darf man nicht auf Kinder übertragen", betonte Heinz Hilgers, Chef des Kinderschutzbundes.

Was ist vom Richterspruch aus Karlsruhe zu erwarten? Die Tatsache, dass die Verfassungsrichter alle Hartz-IV-Sätze überprüfen wollen, zeigt, dass diese das Problem sehr ernst nehmen. Wahrscheinlich werden sie der Politik ordentlich Hausaufgaben aufbrummen. Möglicherweise fordern die Richter nicht nur, dass die Leistungen für Kinder in den verschiedenen Altersgruppen ermittelt werden, sondern machen zusätzlich inhaltliche Vorgaben, welche Bedürfnisse der Kinder erfüllt werden müssen.

Warum hat die Politik dieses Problem noch nicht selbst angepackt? Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts Anfang des Jahres ist klar, dass die Sätze für Kinder neu berechnet werden müssen. Sobald die neue Verbraucherstichprobe vorliegt, die alle fünf Jahre genommen wird, soll dies geschehen. Zum 1. Juli diesen Jahres wurden die Regelsätze für die Sechs- bis 13-Jährigen bereits pauschal auf nun 251 Euro angehoben. Aus Sicht der Sozialverbände reicht das noch nicht. Der Familienbund der Katholiken fordert auf Grundlage eigener Berechnungen, dass für die Kleinsten 257 Euro monatlich (aktuell 215 Euro), für die Sechs- bis 13-Jährigen 272 Euro (aktuell 251 Euro) und für die Älteren 310 Euro (aktuell 287 Euro) gezahlt werden. Das Arbeitsministerium ist hingegen der Ansicht, dass die Sätze für die Jüngeren und für die Älteren derzeit leicht über dem Mindestbedarf liegen.

Welche Auswirkungen wird die Berechnung der Regelsätze für Kinder haben? "Ich gehe davon aus, dass eine gezielte Bedarfsermittlung dazu führt, dass die Regelsätze für Kinder erhöht werden müssen", sagt die designierte SPD-Vize-Vorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Die Folgen wären weitreichend: Wenn das Existenzminimum für Kinder steigt, dann muss auch der Steuer-Freibetrag für Kinder steigen. Denn er muss das Existenzminimum abdecken. Eine Erhöhung des Freibetrags hätte die sozialpolitische Konsequenz, dass auch das Kindergeld steigen müsste. Darüber verhandeln Union und FDP ohnehin.

(RP)
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