Angriffe auf Politiker und Migranten Was hilft gegen den Hass im Netz?

Dresden · Der Hass hat Konjuktur. Er richtet sich in den vergangenen Wochen vor allem gegen Politiker und Zuwanderer und schlägt diesen im Internet und auf der Straße in hohen Wellen entgegen. Strategien, sich dem Hass zu stellen gibt es einige, doch Erfolg versprechen nur wenige.

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Foto: dpa, hsc lre

Wer sich Internetkommentare zur Flüchtlingspolitik anschaut oder Demonstrationen der "Pegida"-Bewegung besucht, dem begegnen Aussagen voller Verachtung und Hass. Auf der Facebook-Seite von "Pegida" finden sich zudem immer wieder Aufrufe zum Mord und anderen Straftaten. Vetreter aus Politik, Verwaltung und Kultur versuchen sich mit unterschiedlichen Strategien dem Hass zu stellen. Doch bei all diesen Versuchen stellt sich die Frage, ob Ignoranz nicht die beste Stragie ist.

Der Kommunikationsdesigner Gregor Weichbrodt beschäftigt sich seit Dezember 2014 mit der "Pegida"-Bewegung und den Aussagen ihrer Anhänger. Eine NDR-Reportage machte Weichbrodt auf die Bewegung aufmerksam. "Ich war zunächst erschrocken, was Teilnehmer einer Demonstration in einem Fernsehbeitrag erzählten. Wir wollten ähnliche Kommentare auf Facebook erstmal sichern, um später damit arbeiten zu können", sagt er. Nach dem ersten Eindruck kam für ihn nicht infrage, den Hass zu ignorieren.

Gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr sammelte Weichbrodt bis Mitte Januar 2015 insgesamt 282.596 Kommentare. Diese wiederum ordneten sie den Begriffen "Glaube, Liebe, Hoffnung" für ein gleichnamiges Literaturprojekt unter. Der Bezug auf den 1. Brief des Paulus an die Korinther aus dem Neuen Testament schien den Studenten passend für eine Arbeit über eine Bewegung, die sich selbst mitunter als Wahrer von christlichen Tugenden versteht. Mit dem Projekt ist Gregor Weichbrodt und Hannes Bajohr eine Charakterisierung der Bewegung gelungen, die man als das "Glaubensbekenntnis von 'Pegida'" bezeichnen könnte. Die Kommentare sind mitunter so grotesk und voller Hass, dass sie kaum einer Kommentierung bedürfen. Doch eine Antwort darauf, wie sich der Hass bekämpfen lässt, bietet diese Strategie.

Wenn nur noch ein Aussteigerprogramm hilft

In der Auseinandersetzung mit "Pegida"-Anhängern hat Martin Strunden, Pressesprecher des Innenministeriums in Sachsen, nicht nur Zuschriften gesammelt und dokumentiert. Er hat sich vor allem über den Kurznachrichtendienst Twitter der Diskussion mit Sympathisanten der Bewegung gestellt. Aktiv hat er Statistiken, Gutachten und Infografiken ins Netz gestellt. Als er damit anfing, folgten dem Twitter-Account des Innenministeriums etwa 200 Nutzer. "Es war eigentlich nur für Journalisten interessant, die sich dort über Termine des Innenministers informierten. Jetzt folgen dem Account aber über 500 Follower.", so Strunden. Zwischen 200 und 500 Followern lagen mehrere Monate und zahlreiche Diskussionen und Anfeindungen.

Die Nachrichten fasste Martin Strunden in drei Kategorien zusammen. Für jede Kategorie gab es eine eigene Art zu antworten. "In der ersten Gruppe waren Beleidigungen, die komplett unter der Gürtellinie waren", sagt der Pressesprecher. Unter den Zuschriften fanden sich Gewaltandrohungen oder Aufrufe zu Vergewaltigungen und anderen Straftaten. Hierauf konnte er nur mit der Nachricht "Tonfall? #lasttweet" antworten.

Mit dem Stichwort #lasttweet signalisieren Nutzer auf Twitter, dass die Diskussion für sie mit diesem Beitrag beendet ist. "In einer zweiten Gruppe fanden sich Kommentare mit neonazistischem Gedankengut. Als Antwort haben wir dann auf das Aussteigerprogramm für Rechtsradikale der Landesregierung Sachsen verlinkt", sagt Martin Strunden. Die dritte Gruppe sei schließlich diejenige gewesen, mit der eine Diskussion möglich gewesen sei. Die Kommentatoren hätten durchaus positiv auf bisher unbekannte Sachverhalte reagiert, einige folgen noch immer dem Twitter-Account des sächsischen Innenministeriums und verfolgen so auch Veröffentlichungen zu Fragen der Migrationspolitik, doch eine Diskussion findet kaum noch statt.

Das Gespräch mit Organisatoren und Beeinflussern

Frank Richter, ehemaliger Domvikar von Dresden und Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen, war einer der ersten, der das Gespräch mit Vertretern der "Pegida"-Bewegung gesucht hat. Richter hatte als Geistlicher in Dresden schon erfolgreich 1989 zwischen den Demonstranten gegen das DDR-Regime und Funktionären der SED in Dresden vermittelt. Er lud die Organisatoren der Dresdner Demonstrationen in die Landeszentrale ein. Gemeinsam mit Kathrin Oertel und Lutz Bachmann gab er eine Pressekonferenz. Die Pressekonferenz war angesetzt worden, weil Richter befürchtete, dass Morddrohungen gegen Lutz Bachmann und eine mögliche Absage einer Montagsdemonstration zu einer Eskalation hätte führen können. Der MDR berichtete kurze Zeit später, dass Richter die Pressekonferenz als Fehler sehe.

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Zum Thema Hasskommentare war aus der Landeszentrale zudem zu hören, dass die Kommunikation des sogenannten Orga-Teams stark von der der Demonstrationsteilnehmer abweiche. Unter den Demonstranten, deren Aussagen Mitarbeiter der Landeszentrale wahrgenommen hatten, herrschte eher ein Ton, der den Kommentaren in sozialen Netzwerken gleiche.

Welche Strategie war erfolgreich?

Auf die Frage nach dem bisherigen Erfolg des Kunstprojektes "Glaube, Liebe, Hoffnung", antwortete Gregor Weichbrodt, dass es viele Anfragen zur Auswertung der Kommentare gegeben habe. Zudem seien weder er noch sein Co-Autor Hannes Bajohr bisher selbst zur Zielscheibe von negativen Kommentaren geworden.

Ob die Strategie der direkten Auseinandersetzung von Martin Strunden erfolgreich war, kann er selbst nicht sagen. Die Anzahl der Zuschriften ist zurückgegangen und auch die Intensität der Diskussion habe abgenommen. Strunden vermutet, dass dies mit einem insgesamt abnehmenden öffentlichen Interesse an "Pegida" zusammenhängt.

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Inwiefern das Gesprächsangebot von Frank Richter und in ähnlicher Form von Innenminister Markus Ulbig (CDU) eine Beruhigung in die Diskussion über "Pegida" und deren Aussagen zu Migranten und Politikern erzeugt hat, ist eher fragwürdig. Richter selbst hatte die Pressekonferenz ohne Beteiligung von "Pegida"-Kritikern als Fehler bezeichnet. Und am Tag nach dem Treffen von Kathrin Oertel und Lutz Bachmann mit Markus Ulbig hatte sich das Orga-Team aufgelöst.

(ac)
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