Berliner Wahlwiederholung Giffeys Sessel wackelt

Berlin · Die Wahl in Berlin war geprägt von Pannen, jetzt muss sie komplett wiederholt werden. Für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey kann dies das Ende ihrer kurzen Amtszeit bedeuten.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin.

Foto: dpa/Paul Zinken

Es ist ein Drama in vielen Akten, insbesondere für die einstige SPD-Hoffnungsträgerin Franziska Giffey. Die Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus muss komplett wiederholt werden. Das entschied der Berliner Verfassungsgerichtshof am Mittwoch (AZ: VerfGH 154/21). Demnach waren die Mängel und Pannen bei der Wahl im September so gravierend, dass am 12. Februar in allen rund 2300 Berliner Abstimmungsbezirken erneut über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses votiert werden soll.

Zur Begründung verwies Gerichtspräsidentin Ludgera Selting auf „schwere systemische Mängel“ schon bei der Vorbereitung der Wahl sowie eine „Vielzahl schwerer Wahlfehler“. Für eine flächendeckende Ungültigkeitserklärung sprach laut Gericht unter anderem, dass insgesamt 88 von 147 Sitzen im Abgeordnetenhaus, rund 60 Prozent, von mandatsrelevanten Wahlfehlern betroffen sind.

Was war geschehen? Am 26. September 2021 waren die Berlinerinnen und Berliner nicht nur zur Bundestagswahl aufgerufen, auch die Abgeordnetenhauswahl fiel auf diesen Tag. Gleichzeitig sollten die Bewohner der Hauptstadt in einem Volksentscheid über die Enteignung von Wohnungskonzernen abstimmen. Hinzu kam der Berliner Marathon, für den zahlreiche Straßen und wichtige Verkehrsachsen gesperrt waren. Das war eine Mischung, die in mehreren Wahllokalen zum kompletten Chaos führte: Falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel wurden ausgegeben, es konnten wegen des Verkehrschaos nicht rechtzeitig neue Zettel nachgeliefert werden, es gab teils zu wenige Wahlurnen, manche der 2256 Wahllokale wurden zeitweise ganz geschlossen, es bildeten sich lange Schlangen mit Wartezeiten von mehreren Stunden und mancherorts wurde noch nach 18 Uhr abgestimmt. Berlin machte damals seinem Ruf als Pannenhauptstadt alle Ehre.

Es folgte ein langer und quälender politischer wie juristischer Prozess, an dessen Ende nun feststeht: Die Wahl zum Abgeordnetenhaus muss komplett und die Bundestagswahl voraussichtlich in einigen Berliner Wahlbezirken wiederholt werden.

Für Franziska Giffey bedeutet die Wahlwiederholung im Februar eine ernste Gefahr für ihre nur kurze Amtszeit. Da es sich nicht um eine Neuwahl, sondern eine Wiederholung handelt, können alle Kandidatinnen und Kandidaten von einst wieder antreten. Natürlich wird es Giffey versuchen. Doch in der Wählergunst war sie vor wenigen Montag deutlich abgesackt, im September war sie sogar die unbeliebteste Regierungschefin in Deutschland. Und die Parteiwerte? Die könnten zwischen Giffeys SPD und den Herausforderern von den Grünen und der CDU knapper kaum sein: 21 Prozent für die Konservativen, 20 jeweils für Sozialdemokraten und Grüne. So ist längst nicht ausgemacht, dass der amtierende rot-grün-rote Senat unter Giffeys Führung nach dem 12. Februar weitermachen kann.

Es wäre ein denkbar hartes politisches Ende im Roten Rathaus für die 44-jährige Giffey, die auf turbulente Jahre in der Spitzenpolitik zurückschauen kann: Giffey hatte sich als einstige Bezirksbürgermeisterin aus Neukölln hochgearbeitet. Mit aufsehenerregenden Maßnahmen wie Müll-Sheriffs griff sie in dem Problembezirk durch, wurde überraschend Bundesfamilienministerin im letzten Kabinett von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU), trat vorzeitig von ihrem Amt infolge der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit zurück und suchte dann den Neustart in Berlin. Jetzt muss die Verwaltungswirtin sich einen Blitzwahlkampf mit ihren Herausforderern liefern. „Berlin steht jetzt vor einer herausfordernden Situation“, sagte Giffey am Mittwoch, die darauf hinwies, dass sie zum Zeitpunkt der vermurksten Wahl im September 2021 noch nicht Regierende Bürgermeisterin gewesen war – also auch nicht verantwortlich für das Chaos. „Umso mehr ist es für mich wichtig, die Konsequenzen daraus zu ziehen und alles zu tun, um diese Wahlen, die jetzt anstehen, gut vorzubereiten.“

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