Schlagabtausch in Niederbayern Warum Markus Söder beim Gillamoos Aiwanger nicht erwähnt
Berlin/Abensberg · Nach der Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für einen Verbleib seines Stellvertreters Hubert Aiwanger im Amt kann von einer Rückkehr zum politischen Alltag keine Rede sein. Die Kritik ist hart, Zustimmung gibt es auch. Wie geht Söder damit um?
„Hubert, Hubert“ Rufe schallen durch das Zelt der freien Wähler. Man hört sie noch weit vor dem Zelt. Der Freie-Wähler-Chef, Hubert Aiwanger, hat ganz vorne an einem Tisch Platz genommen und wartet auf seinen Auftritt beim politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos in Niederbayern. Es ist ein Heimspiel, Aiwanger stammt aus dieser Gegend. Der stellvertretende Ministerpräsident Bayerns wird wenig später parallel zu seinem Chef sprechen.
Der wiederum, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, hat sich als politischen Gast den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz geladen und lässt diesem den Vortritt. Der Sauerländer im Trachtenjanker lobt vor allem Söder, der im Wahlkampf und inmitten der Aiwanger-Affäre steht. Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er bravourös gelöst, ruft Merz in den Saal. „Sehr gut, genauso war's richtig, das so zu machen“, sagt Merz.
Söder hatte am Sonntag seine Entscheidung mitgeteilt, Aiwanger am Ende trotz aller Vorwürfe rund um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten im Amt zu belassen. Merz überschlägt sich fast mit Komplimenten. Bayern sei das am besten regierte Bundesland, Söder gehöre in die Reihen der Großen in der CSU und so weiter und so fort. Am Sonntag hatte sich Merz nicht zu den Vorgängen in München geäußert.
Direkt im Anschluss an sein Lob für Söder sagt Merz dann noch: „Ich habe in diesem Zusammenhang auch eine Bitte an die Medien: Überlegen Sie sich gut, welche Verantwortung Sie auch haben in Deutschland.“ Er fügt hinzu: „Ich sage „Sie“ im Plural, die öffentlich-rechtlichen genauso wie die privaten. Und man kann von den Medien schon beanspruchen, dass sie ein Spiegelbild der Gesellschaft sind, dass sie wenigstens zulassen, dass ein breites Meinungsspektrum auch in den Medien - vor allem denjenigen, die aus Gebühren finanziert werden müssen - dass ein breites Meinungsspektrum auch zum Ausdruck kommt.“ Konkreter wird der CDU-Chef nicht.
Merz attackiert in seiner Rede auch die Ampel-Regierung zur Halbzeit der Legislaturperiode in scharfen Worten. „Wir sind fest entschlossen, es spätestens in zwei Jahren besser zu machen, als diese Regierung.“ Deutschland habe eine bessere Regierung verdient. „Fachkräftemangel haben wir in erster Linie in der Bundesregierung – und nicht bei den Ingenieuren in Deutschland.“
Söder stößt dann in dasselbe Horn. „Die Hampel-Ampel ist die schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte“, insistiert Söder. „Woche für Woche Streit“, kritisiert er. „Woche für Woche Hin und Her.“ Nach der Bundestagswahl 2025 werde die Union die Ampel ablösen, sagt Söder optimistisch voraus. In jedem bayerischen Dorf sei mehr Verstand als im Berliner Regierungsviertel. Der Name Aiwanger fällt an diesem Vormittag nicht. Zurück zur Tagesordnung lautet Söders Devise - koste es, was es wolle.
Bei der politischen Konkurrenz fällt der Name dafür häufiger. SPD-Chef Lars Klingbeil wirft Söder vor, in der Affäre eingeknickt zu sein. „Der hat den Buckel gemacht vor dem Aiwanger“, betont der SPD-Vorsitzende. „Wenn er hier in Bayern ein ernsthaftes Problem hat, dann schwimmt er, dann laviert er, dann duckt er sich weg“, sagt Klingbeil und fährt fort: „Der guckt nur auf sich selbst, aber nicht auf dieses Bundesland.“ Die Äußerungen Aiwangers zu der Affäre habe er nicht als ernsthafte Entschuldigung wahrgenommen, sagt Klingbeil. Stattdessen habe sich der Vizeregierungschef in Bierzelten als Opfer einer Medienkampagne dargestellt.
Aiwanger selbst redet ein paar Meter weiter. Er geht gar nicht auf die Aufregung rund um seine Person ein, attackiert vor allem die Ampel. „Dieses Land wird derzeit politisch tief gespalten bis hin zu einer Situation der Regierungsunfähigkeit“, sagt der bayerische Wirtschaftsminister. Als Beispiel nennt er Umfragen in ostdeutschen Bundesländern, in denen „Randparteien“ mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinten. „Dann ist die Demokratie in höchster Gefahr“, sagt Aiwanger. Seine Partei wolle deshalb „ein Angebot der vernünftigen Politik“ an Wähler der Mitte machen.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki mahnt wiederum mehr Leistungsbereitschaft in Deutschland an. „Wenn wir nicht den jungen Menschen bereits wieder beibringen, dass sie in der Schule was leisten müssen, im Leben was leisten müssen, dann müssen wir uns nicht wundern, dass es uns auf allen Ebenen schlecht geht.“

dpatopbilder - 04.09.2023, Bayern, Abensberg: Hubert Aiwanger (vorn), Bundesvorsitzender der Freien Wähler, stellvertretender Ministerpräsident von Bayern und bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landentwicklung und Energie, winkt vor seiner Rede beim Politischen Frühschoppen Gillamoos auf der Bühne. Das Gillamoos ist eines der größten und ältesten Volksfeste Niederbayerns und bietet traditionell einen politischen Schlagabtausch der Parteien. Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Foto: dpa/Sven HoppeKubicki, der auch Vizepräsident des Deutschen Bundestags ist, geht nur am Rande auf die Affäre ein: „Hubert Aiwanger ist ein gnadenloser Populist, aber das ist in Bayern ja üblich, der Ministerpräsident Markus Söder ist es ja auch.“ Deutschland habe eine massive Wirtschaftskrise, eine Bildungskrise, eine Energiekrise, eine Migrationskrise und Krieg unmittelbar vor der Haustür. „Und das Einzige, worüber Deutschland die letzten 14 Tage debattiert, ist, ob Hubert Aiwanger früher mal Neonazi war oder auch nicht. Als hätten wir keine anderen Probleme.“