Zustimmung nach Clown-Aussage wächst Warum diese Affäre Peer Steinbrück hilft

Düsseldorf · Peer Steinbrücks Clown-Aussage schlägt auch weiterhin hohe Wellen. Die Zahl derer, die dem SPD-Kanzlerkandidaten zustimmt, wächst. Diese Steinbrück-Affäre verläuft anders. War es Kalkül? Wird sie ihm sogar nutzen?

 Bei dieser Veranstaltung in Potsdam nannte Peer Steinbrück Silvio Berlusconi und Beppe Grillo "Clowns"

Bei dieser Veranstaltung in Potsdam nannte Peer Steinbrück Silvio Berlusconi und Beppe Grillo "Clowns"

Foto: dpa, Bernd Settnik

Bernhard Paul findet Peer Steinbrücks jüngste Verbal-Eskapade ungerecht. Der SPD-Kanzlerkandidat hatte Silvio Berlusconi und Beppe Grillo — beide erzielten bei der Italien-Wahl ein bedeutsames Ergebnis — als "Clowns" bezeichnet.

Ungerecht, weil ein Berufs-Clown kein Depp sei, "den man auf eine Stufe mit Berlusconi stellt." So sieht es Paul, Chef des Zirkus Roncalli, der die Zunft der professionellen Witzemacher in Schutz nimmt. "Clown ist ein ehrenwerter, ganz schwieriger, sensibler, künstlerischer Beruf."

Grillo sauer auf Steinbrück

Diese sensible Berufsgruppe hatte der wenig sensible Steinbrück als Projektionsfläche genutzt, um seiner losen Zunge freien Lauf zu lassen. In Potsdam kommentierte er das Ergebnis der Italien-Wahl gewohnt scharfzüngig. Passenderweise auf einer Veranstaltung, die den Namen "Klartext mit Peer Steinbrück" trug.

Steinbrück machte sich lustig über zwei Männer, die von Italiens Bevölkerung Millionen Stimmen erhielten. "Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben. Ein beruflich tätiger Clown, der auch nicht beleidigt ist, wenn man ihn so nennt, Herr Grillo. Und ein anderer, der definitiv ein Clown mit einem besonderen Testosteronschub ist."

Gemeint war Berlusconi. Und Grillo, der Berufs-Komiker, war trotzdem sauer auf Steinbrück. Grillo warf in seinem Blog Steinbrück Arroganz und "einen Mangel an politischer Intelligenz" vor. Diese Fähigkeit sei jedoch nötig, um Kanzler zu werden.

Geteiltes Medienecho

In Deutschland aber scheint die Clown-Affäre anders zu verlaufen, als die unzähligen verbalen Ausrutscher zuvor, mit denen sich der schlagfertige Rhetoriker viel Kritik eingeholt hatte und ihm viele bereits die Kanzlertauglichkeit absprachen.

Nebenverdienst-Affäre, Kanzlergehalt-Affäre, Stefan-Raab-Affäre oder die Peerblog-Affäre, allesamt ein Peer-PR-Fiasko — nicht so die Clown-Affäre. Sie wird wohl nicht in Steinbrücks Liste des Grauens auftauchen. Die Medien, die sich bislang auf die jüngsten Eskapaden des Genossen stürzten, seine Äußerungen teilweise aus dem Kontext rissen und diese schließlich vereinfacht darstellten — so die Kritik Steinbrücks — geben nun ein geteiltes Echo wider.

Die einen kritisieren ihn auch weiterhin für seine unverblümte Art, Politiker eines befreundeten EU-Nachbarn in direkter Weise zu diskreditieren, zu beleidigen. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano, der auf Staatsbesuch in Deutschland war, sagte ein geplantes Treffen mit dem Merkel-Herausforderer ab.

Umfragetief für Berlusconi

Die anderen aber unterstützen den SPD-Politiker und geben Steinbrück sogar Recht mit seiner Meinung. Schließlich habe er nur das ausgesprochen, was die meisten Deutschen ohnehin denken. Auch nach Ansicht der Mehrzahl deutscher Politiker soll Bunga-Bunga-Berlusconi in Rom keine Regierungsverantwortung mehr tragen.

Schon länger fragt sich die deutsche Bevölkerung, wie sich der in Finanz- und Sex-Skandale verstrickte Multi-Millionär Berlusconi so lange an der Macht halten konnte - und nun zurück auf die große Bühne rückt. Bei einer Umfrage kurz vor der Italien-Wahl erklärten nur sieben Prozent der Deutschen, sie würden Berlusconi wählen. 86 Prozent sprachen sich gegen ihn aus.

Gut möglich also, dass es Steinbrück in diesem Fall, der Clown-Affäre, nicht schaden wird, dass er seine Meinung äußerte. Nicht wenige gehen sogar dazu über, das Gegenteil zu vermuten. Steinbrück hat der schweigenden Mehrheit eine Stimme gegeben. Mutig, sei er. Das ist Demokratie, sagen sie. Andere vermuten, dass Steinbrücks Vorstoß politisch kalkuliert war.

Berlusconis Merkel-Beschimpfung

Und schließlich, so die Front der Steinbrück-Unterstützer, könne man seine Clown-Aussage auch in Relation stellen zu Berlusconis wüsten Merkel-Beschimpfungen, die er damals, noch als Ministerpräsident, in einem abgehörten Telefongespräch los wurde. Nicht zu vergessen die Anti-Merkel-Stimmung, die in Italien vorherrscht und die Berlusconi mit befeuert hat. Was ist schlimmer?

Selbst Regierungspolitiker drückten ihre Zustimmung aus. Lasse Becker, der Vorsitzende der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale hatte "Bild.de" am Donnerstag gesagt: "Es wäre nicht meine Wortwahl, aber im Kern hat Steinbrück nicht ganz unrecht." Grillo wolle "von Berufs wegen lustig sein", Berlusconi schaffe das "teilweise auch so".

Die SPD-Führung hatte sich hinter ihren Kandidaten gestellt. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann: "Man darf doch politische Ergebnisse auch noch politisch kommentieren, wenn man Kanzlerkandidat ist." Grünen-Kollege Volker Beck meinte: "Der Vergleich mit Berlusconi ist höchstens eine Beleidigung für jeden rechtschaffenen Clown."

Vor wenigen Tagen erklärte Steinbrücks Pressesprecher Michael Donnermeyer: "Er hat eine klare Meinung. Und das ist ein Vorzug von Peer Steinbrück, ein Markenzeichen." Mit einer klaren Meinung bestimme man auch die Diskussion, und das sei wichtig.

(nbe)
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