Reform des Gesundheitswesens Warum die Kopfpauschale eine gute Sache ist

Düsseldorf (RPO). Die Koalition streitet über sie, die NRW-SPD will sie zum Wahlkampfthema machen: die Kopfpauschale. Das Modell, bei dem jeder Bürger den gleichen Beitrag an seine Krankenkasse zahlt, ist weit besser als sein Ruf. Vor allem die Besserverdienenden könnten stärker zur Kasse gebeten werden – dafür wären allerdings Steuererhöhungen notwendig. Eine Kommission soll nun Lösungen finden.

Das ist Philipp Rösler
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Düsseldorf (RPO). Die Koalition streitet über sie, die NRW-SPD will sie zum Wahlkampfthema machen: die Kopfpauschale. Das Modell, bei dem jeder Bürger den gleichen Beitrag an seine Krankenkasse zahlt, ist weit besser als sein Ruf. Vor allem die Besserverdienenden könnten stärker zur Kasse gebeten werden — dafür wären allerdings Steuererhöhungen notwendig. Eine Kommission soll nun Lösungen finden.

Mit der Kopfpauschale lässt sich gut Wahlkampf machen — wenn man in der Opposition ist. Die NRW-SPD will den kommenden Urnengang nicht nur zur Abstimmung über die künftige Regierung in Düsseldorf, sondern auch der Finanzierung der Krankenkassen machen. In der CDU wird das einstige Wahlkampfthema jedoch gemieden und die bayerische Schwesterpartei wird nicht müde zu betonen, dass man an eine solche Reform überhaupt nicht denke.

Die Kopfpauschale ist nämlich ein Stimmungskiller, den 80 Prozent der Deutschen ablehnen, wie aus einer Umfrage der Institute Faktenkontor und Toluna von Ende Februar hervorgeht. Deswegen will mit der Reform bis auf Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) niemand etwas zu tun haben. Der Liberale soll sich bei seinen Parteigenossen sogar schon über mangelnde Rückendeckung beklagt haben. Dabei hätte Rösler diese verdient, denn die Kopfpauschale ist eine gute Idee.

Kern des Konzepts ist, dass jeder Bürger monatlich eine feste, aber für alle Beitragszahler gleiche Summe als Krankenkassenbeitrag bezahlt. Das gilt für den Manager wie für die Putzfrau. Geringverdiener sollen über eine steuerfinanzierte Umlage Zuschüsse erhalten. Das hört sich zunächst ungerecht an. Hier hilft ein Blick auf die momentane Finanzierung der Gesetzlichen Krankenkassen. Der Arbeitnehmer bezahlt 7,9 Prozent seines Bruttolohns. Sein Versicherer hat die Möglichkeit, einen Zusatzbeitrag von bis zu einem weiteren Prozent zu fordern. Der Arbeitgeber bezahlt sieben Prozent des Bruttolohns als seinen Anteil.

Die Beiträge werden nur auf die Löhne von abhängig Beschäftigten, also ganz normalen Angestellten erhoben. Wer oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 3750 Euro verdient, muss den Maximalsatz von 558,75 Euro in der GKV zahlen. Der Arbeitgeber steuert seinen Anteil dazu. Ob der Versicherte die geforderten 45.000 Euro im Jahr oder zehn Millionen Euro verdient - der Beitrag ist gedeckelt. In der GKV sind zudem Ehepartner und Kinder ohne Aufschlag mitversichert, insofern sie kein eigenes Einkommen haben. Hierdurch gibt es Fälle, in denen ein Spitzenverdiener inklusive Familie weniger bezahlt als ein Geringverdiener-Ehepaar, bei dem beide Partner in Vollzeit arbeiten.

In der GKV werden derzeit nur die Löhne zur Bemessung der Beiträge herangezogen. Durch einen höheren steuerfinanzierten Anteil würden jedoch alle Steuerzahler zur Finanzierung beitragen und sämtliche zu versteuernde Einkünfte wie Mieten oder Kapitalerträge herangezogen. Hierdurch wird die Finanzierung des Gesundheitswesens, das auf ein jährliches Volumen von rund 240 Milliarden Euro kommt, auf eine breitere Basis gestellt. In dem derzeitigen System solidarisiert sich der Empfänger von mittleren Einkommen mit den Geringverdienern — auch damit wäre Schluss.

Der Koalitionsvertrag spricht von "einer weitgehenden Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten" mit "einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden".

Ein Problem gibt es jedoch: Für die steuerfinanzierte Umverteilung der Mittel müssen je nach Schätzung 15 bis 40 Milliarden Euro aufgebracht werden. Das Geld hat der Staat derzeit nicht. Steuererhöhungen wären unausweichlich. Hier stellt sich die Frage, welche Einkommen in welchem Umfang belastet werden sollen. Nur über Einsparungen dürfte sich der Finanzierungsbedarf nicht decken lassen.

Darüber hinaus müssen viele Detailfragen geklärt werden. Wie hoch soll die Kopfpauschale sein? Zwischen 150 und 200 Euro waren zeitweise im Gespräch. Bei einem Beitrag von 150 Euro würden Angestellte mit einem Bruttolohn von rund 1900 Euro bereits Geld sparen. Wie genau der Zuschuss für Geringverdiener gezahlt werden soll, ist ebenfalls offen. Muss die Zahlung gesondert beantragt werden oder kommt der Zuschuss automatisiert? Als Steuergutschrift oder als Überweisung? Und was ist mit den vielen Sonderfällen? Rentern oder Studenten? Und was passiert mit dem Arbeitgeberanteil?

Die "Regierungskommission zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens" hat also viel zu tun, sollte die Kopfpauschale überhaupt auf die Agenda gelangen. Ein durchdachtes Konzept könnte aber funktionieren. Und neben Reformen auf der Ausgabenseite, wo explosionsartige Steigerungen zu verzeichnen sind, muss auch über die Einnahmen gesprochen werden. Am 17. März geht es los. Aber das Gremium soll seine Vorschläge erst im Sommer präsentieren — nach den NRW-Wahlen.

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