Parteitag in Corona-Zeiten Die Murmeltiere der CDU
Meinung · Erst entscheiden die Mitglieder, dann soll ein Parteitag mit 1001 Delegierten den neuen CDU-Vorsitzenden noch einmal bestätigen. In Corona-Zeiten ist das keine sonderlich gute Idee - und auch ein falsches Signal.
Mit Friedrich Merz und Norbert Röttgen als Kandidaten für den CDU-Vorsitz hat das berühmte Murmeltier bereits gegrüßt, bei Merz ist es der dritte Anlauf, bei Röttgen der zweite. Nur Helge Braun geht zum ersten Mal ins Rennen. Jetzt stellt sich für die Union erneut die Frage, ob sie den rund um den 21. Januar geplanten Parteitag zur endgültigen Bestimmung ihres neuen Chefs überhaupt in Präsenz abhalten sollte. Das nächste wiederkehrende Murmeltier der CDU. Um es klar zu sagen: Sie sollte nicht. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass sich bis dahin an der Corona-Situation in Deutschland durch ein plötzliches Impf- und Frühlingserwachen grundlegend etwas ändert.
Klingelt da was? Genau. Auch im vergangenen Jahr musste die Union ihren Konvent zweimal wegen der Pandemie verschieben. Damals ging Friedrich Merz noch auf die Barrikaden und deutete eine Verschwörung des „Parteiestablishments“ zu seinen Ungunsten an. Inzwischen ist der Sauerländer deutlich geschmeidiger geworden – hinsichtlich seiner Themen und sogar bei der Bewertung der eigenen Kandidatur. Sie habe etwas „Irrationales“, so Merz. Richtig. Aber was ist in den letzten Wochen und Monaten nicht alles passiert, was man sich bei der Union nie hätte vorstellen können? Jede Menge. Nach allem, was man jedenfalls im Moment hört, stellen sich viele in der Partei schon auf einen Übergangsvorsitzenden Merz ein. Aber noch ist nichts entschieden.
Der letzte Parteitag wurde wegen Corona bereits volldigital abgehalten, damals gewann Armin Laschet die Wahl gegen Merz und Röttgen. Das ist das eine. Das andere: Die CDU hat seinerzeit bewiesen, dass sie das Online-Format beherrscht, ohne innerparteiliche Verwerfungen zwischen Jung und Alt entstehen zu lassen, ohne Cyberangriffe von außen oder sonstige Ungereimtheit. Diesmal ist die Angelegenheit sogar etwas einfacher, weil zuvor die Mitglieder per Befragung über den neuen Vorsitzenden abstimmen. Alle drei Bewerber, Merz, Röttgen und Braun wollen als Unterlegener dann nicht auf dem Parteitag kandidieren, so dass das Votum des Konvents eigentlich nur noch eine Formsache ist. Dramatik und Bedeutung der Parteitagsentscheidung sind also weitaus geringer als noch bei der letzten Wahl des Vorsitzenden. Und wer nun sagt, die Union müsse dringend auch über Inhalte debattieren, dem sei entgegnet, erst das Personal, dadurch die Befriedung, etwas später dann die Programmatik. So wird in Corona-Zeiten ein Schuh daraus.
Vor allem jedoch gelten die Argumente weiter, die schon letztes Jahr gegolten haben. Umso mehr, als dass die Corona-Lage so dramatisch ist wie während keiner der drei Wellen zuvor. Von Bundesland zu Bundesland fallen die Lockerungen gerade wie Dominosteine, überall werden Veranstaltungen abgesagt, Weihnachtsmärkte geschlossen, es drohen neue Kontaktbeschränkungen und Sperrstunden. Da ist es nicht zu vermitteln, mit 1001 Delegierten sich in eine Halle zu setzen, mag das Hygienekonzept mit 2G oder 2-G-Plus noch so ausgefeilt sein. Auch im Januar noch nicht. Alles andere wäre ein falsches Signal in einer für viele sehr trüben Zeit.