Berliner Republik Warum der Lockdown jetzt Wellenbrecher heißt

Meinung | Berlin · Wenn die Politik sich um unbequeme Wahrheiten drückt - dann kreiert sie gerne neue Wörter. Was man in der Corona-Pandemie gerade besonders bewundern kann.

 Münstermann

Münstermann

Foto: RP/Ferl, Martin

Wie schön das klingt: „Weihnachtsruhe“. Oder auch: „Vorgezogene Weihnachtsferien“. Hört sich nach Besinnung und Feierlichkeiten, nach Tannenbaum, Schlittenfahren und Punsch trinken an.

Auch das Wort „Wellenbrecher“ hat Charme. Darin klingt etwas martialisches mit, eine Ur-Gewalt, die sich gegen etwas stemmt, was deutlich größer ist als man selbst. Wenn Wellen gebrochen werden, sind sie nicht mehr allmächtig.

Politik ist auch Inszenierung. Ausdrücke, Wörter und Worte vermitteln bestimmte politische Botschaften. Allerdings sollte man sein Publikum auch nie unterschätzen. In der immer noch grassierenden Corona-Pandemie steht die so genannten Weihnachtsruhe für nichts anderes als ein Runterfahren des öffentlichen Lebens, verschärfteKontaktbeschränkungen, Tanzverbot- auch für Geimpfte. Ein „Lockdown light“ sozusagen. Aber Stopp: Lockdown heißt ja jetzt nicht mehr „Lockdown“. Sondern „Wellenbrecher“. Weil in der Pandemie ja immer von Wellen geprochen wird - klingt auch besser als Krankenhauseinweisungen oder Totenstatistik.

Die „vorgezogenen Weihnachtsferien“ sind indes mit erneuten Schulschließungen gut übersetzt. Richtig, das ist jene Maßnahme, die Politiker aller Couleur im Sommer immer wieder ausgeschlossen haben. Deswegen brauchte es dringend Besinnliches.

Es gab schon andere politische Wortspiele: „Lohnuntergrenze“ statt „Mindestlohn“, „Herdprämie“ statt „Betreuungsgeld“ - je nach politischem Standpunkt. Das „Gute-Kita-Gesetz“  schaffte es tatsächlich auch in den gemeinen Sprachgebrauch - die aus Sicht der Regierung getroffene Bewertung war da schon mit eingebaut. Die Ampel-Parteien versuchten zu ihrem Start das geflügelte Wort der „Fortschrittskoalition“ zu etablieren; bislang zog das noch nicht so. Ob man die Pandemie 2022 dann mit „Gute-Krankenhäuser-Gesetz“ oder „Mega-Booster-Gesetz“ für die angedachte Impflicht umsetzt? Man wird sehen.

      

(mün)
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