Diskussion über die Hauptstadt Warum das Berlin-Bashing zu kurz greift

Meinung | Berlin · Als Hauptstädter ist man in der Tat viel Kummer gewöhnt: Fehlende Termine im Bürgeramt, Dauerbaustellen, eine nachgeholte Wahl. Doch die Krawalle an Silvester haben mit der Stadt allein nichts zu tun. Diese Probleme liegen tiefer – und müssen das ganze Land beschäftigen.

Wohnungen vor dem Berliner Fernsehturm.

Wohnungen vor dem Berliner Fernsehturm.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Es ist so schrecklich einfach: Chaos in der Hauptstadt, Pannen-Metropole, Berliner Verhältnisse - Schmähungen über die Hauptstadt sind nach den Vorkommnissen an Silvester gerade wieder groß in Mode. Vor allem aus dem Süden der Republik. Die Hauptstadt entwickle sich „leider zu einer Chaosstadt – beginnend bei der Politik, die weder Wahlen organisieren noch die Sicherheit ihrer Bürger garantieren kann“, heißt es etwa vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder aus München.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz erklärte, dass der Berliner Senat „aus politischen Motiven seit Jahren die Rechte und Einsatzmöglichkeiten der Polizei begrenzt“ habe. Da dürfe man sich nicht wundern. Für die Union kommt die Diskussion über die Hauptstadt im heraufziehenden Wahlkampf gerade gelegen.

Ach, es wird schon wieder gewählt in Berlin? Richtig, die notwendige Wiederholung der Wahl aus dem Jahr 2021 ist an Peinlichkeit und Fehlplanung nicht zu überbieten. Die Idee, den Berlin-Marathon, ein globales Sportereignis, parallel zu mehreren Abstimmungen zu veranstalten, war tatsächlich ein Armutszeugnis für die Berliner Politik und Verwaltung, die noch immer von der Konkurrenz zwischen Senat und Bezirken aufgerieben wird.

Doch die Gewaltvorfälle in der Hauptstadt an Silvester, vielfach im Migrantenmilieu angesiedelt, sind mitnichten ein alleiniges Berlin-Problem. Zum einen haben Metropolen wie Brüssel und Paris solche Ausschreitungen gerade erst im Umfeld der WM erlebt. Und zum anderen gab es auch in anderen Städten Angriffe auf Sicherheitskräfte. Verfolgt man außerdem die Berichte über Gewalttaten, etwa in der Düsseldorfer Altstadt, so wird sehr deutlich, dass Berlin kein Monopol auf dieses Phänomen hat. Die Randale bei Bundesliga-Spielen in Ost wie West während der Saison nicht zu vergessen.

Wichtig ist in der Diskussion nun, die Dinge beim Namen zu benennen. In Berlin, ebenso wie in anderen deutschen Städten , gibt es Parallelgesellschaften, die sich mit dem deutschen Staat nicht arrangieren wollen und bei denen auch die heftigsten Integrationsbemühungen nicht greifen. Egal, welche Herkunft die Täter haben: Es müssen klare und harte Strafen gelten, die empfindlich treffen: Führerscheinverbote, hohe Geldstrafen, die Verpflichtung zur Sozialarbeit im öffentlichen Raum – nur der erhobene Zeigefinger wird nicht reichen.

Und nein, in Berlin verklärt kein Anwohner die Randale und das Chaos zu Gepflogenheiten der Hauptstadt. Die Klaus Wowereitsche Deutung von „Arm, aber sexy“ fand man in den weiteren Jahren überall witzig – nur nicht in Berlin. Wer etwa den Zustand der Schulen kennt, weiß auch, dass die öffentliche Hand häufig Prioritäten falsch setzt. Doch auch dieses Phänomen hat Berlin wahrlich nicht exklusiv. Richtig ist aber auch, dass über 7000 Demonstrationen im Jahr in der Hauptstadt veranstaltet werden, die meist friedlich über die Bühne gehen. Sich also zurücklehnen und nur auf Berlin zu zeigen, wäre ein großer Fehler. Konzepte gegen Täter, die Rettungs- und Sicherheitskräfte angreifen, braucht es bundesweit. Ein Böllerverbot ist da nur ein lächerliches Ablenkungsmanöver.

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