Religionspolitiker teilen Misstrauen jüdischer Verbände Warnungen vor Plattform „Juden in der AfD“

Berlin · Die Ankündigung einer neuen Plattform „Juden in der AfD“ ist bei den religionspolitischen Sprechern der anderen Fraktionen auf entschiedene Ablehnung gestoßen.

 Auch Grünen-Politiker Konstantin von Notz stellt sich an die Seite von jüdischen Gemeinden, die vor einer Plattform für Juden in der AfD warnen.

Auch Grünen-Politiker Konstantin von Notz stellt sich an die Seite von jüdischen Gemeinden, die vor einer Plattform für Juden in der AfD warnen.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

„Jüdinnen und Juden haben unter der Verfolgung der Nationalsozialisten entsetzlich gelitten“, sagte der SPD-Religionsexperte Lars Castellucci. „Dafür, dass sich jetzt eine jüdische Plattform in einer Partei formieren soll, die selbst Nazis in ihren Reihen hat, habe ich kein Verständnis“, erklärte der SPD-Politiker.

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe versteht „das Entsetzen führender jüdischer Repräsentanten über Versuche der AfD, um jüdische Mitglieder zu werben“. Für ihn sei ohnehin nicht nachvollziehbar, wie man Mitglied einer Partei werden könne, „die die Verharmlosung nationalsozialistischen Unrechts und antisemitischer Töne in ihren Reihen duldet“. Bei Juden sei dies jedoch „ganz besonders unverständlich“, sagte Gröhe unserer Redaktion.

Christine Buchholz, Sprecherin für Religionspolitik der Linken, teilt ebenfalls die Sorgen jüdischer Gemeinden und Verbände und verspricht, dass ihre Partei „weiter gemeinsam mit jüdischen und muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gegen die menschenverachtende Politik der AfD vorgehen“ werde.

Der FDP-Religionspolitiker Stefan Ruppert fragt sich „worin sich die geradezu widersinnige Attraktivität der AfD für wenige und vereinzelte Juden begründet“. Schließlich hätten ranghohe Vertreter der Partei mehrfach das Leid der Juden in der NS-Zeit aus Gründen der politischen Profilierung relativiert. Ruppert sagt voraus: „Der Versuch, sich mit einer jüdischen Vorfeldorganisation gegen den wohlbegründeten Vorwurf antisemitischer Tendenzen reinzuwaschen, ist daher so durchsichtig, dass er sicher scheitern wird.“

Die Grünen schlossen sich den Warnungen von Vertretern jüdischer Gemeinden ausdrücklich an. „Die AfD ist mit ihrer intoleranten, selbstgerechten, pseudopatriotischen Agenda und als eine religiöse Minderheiten stigmatisierende und diskriminierende Partei eine Gefahr für uns alle“, sagte Grünen-Religionspolitiker Konstantin von Notz.

Die Gründung der Plattform „Juden in der AfD“ ist für Anfang Oktober geplant. Die AfD sei die einzige Partei, die muslimischen Judenhass thematisiere, ohne diesen zu verharmlosen, erklärte AfD-Mitglied Dimitiri Schulz, der zu den Mitgründern der neuen Plattform gehört. Dabei verwies er auf die „antisemitische Sozialisation“ junger Männer, die aus dem islamischen Kulturkreis nach Deutschland gekommen seien. Er leugne nicht, dass es „einzelne tatsächliche Antisemiten“ in der AfD gebe. Deren Einfluss werde jedoch „maßlos überschätzt“.

Zu der Gründungsversammlung, die für den 7. Oktober in Hessen vorgesehen ist, erwarten die jüdischen AfD-Mitglieder neben AfD-Vorstandsmitglied Beatrix von Storch auch die Chefin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, die frühere CDU-Politikerin Erika Steinbach.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, hatte ihr Unverständnis darüber geäußert, wie jüdische Menschen ihre Mitgliedschaft in einer solchen Partei vor sich selbst rechtfertigen könnten. Maram Stern vom Jüdischen Weltkongress erklärte: „Ich glaube nicht, dass man der AfD einen Koscherstempel geben sollte.“

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