Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch Warnungen und Erwartungen vor dem Lockerungstreffen

Berlin · Verbände warnen vor Massenschließungen im Einzelhandel, wenn die Läden im März nicht wieder ihren Betrieb aufnehmen können. Der CDU-Wirtschaftsflügel verlangt eine Ausweitung von Schnelltests im Gegenzug zu Öffnungen. Und aus Thüringen kommt die Mahnung: „Die Bürger wollen den Corona-Frühling.“

 Spaziergang in der Sonne - das Rheinufer in Düsseldorf an diesem Sonntag.

Spaziergang in der Sonne - das Rheinufer in Düsseldorf an diesem Sonntag.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Vor dem virtuellen Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel an diesem Mittwoch mehren sich die Erwartungen an Öffnungsschritte aus dem seit nun vier Monaten anhaltenden zweiten Lockdown. Zugleich wird angesichts steigender Inzidenzzahlen vor einer zu schnellen Öffnung gewarnt. Lediglich 56 von über 400 Kreisen und Städten haben den Inzidenzwert von 35 Infektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen erreicht oder unterschritten, die Mehrzahl von 251 liegt noch oberhalb der Schwelle von 50.

Die Regierungschefs wollten die aktuelle Entwicklung zur Bewertung dafür nehmen, welche Wirtschaftssparten wieder in Gang kommen dürfen. Dafür war im Beschlusspapier der letzten Ministerpräsidentenkonferenz ein Inzidenzwert von 35 genannt worden. Derzeit liegt er allerdings bei 63,8 mit immer wieder geringfügig steigender Tendenz. In Thüringen beträgt dieser Wert aktuell 126,5. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte daher davor, dass zwei Züge aufeinander zurasten und nicht mehr zu stoppen seien. Die dritte Welle habe begonnen, die B117-Mutation werde sich in Deutschland voll durchsetzen. Gleichzeitig wollten viele Menschen Erleichterungen. „Wie kann man verhindern, dass wir in die dritte Welle hinein lockern?“, fragte Lauterbach. Seine Empfehlung ging dahin, die Erstimpfungen vorzuziehen und in Betrieben und Schulen einmal wöchentlich zu testen.

Der Wirtschaftsrat der CDU forderte eine schnellstmögliche Ausweitung der Schnell- und Selbstteststrategie und plädierte für Öffnungen. „Eine breit angelegte Teststrategie würde neben der sicheren Wiederaufnahme des Schulbetriebs auch die längst überfällige Öffnung von Geschäften, Museen und Restaurants ermöglichen", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger unsrer Redaktion. An Grenzen und Flughäfen biete der Einsatz von Schnelltests die Möglichkeit, den Liefer- und Personenverkehr zwischen Deutschland und seinen Nachbarstaaten wieder ungehindert fließen lassen zu können. „Wir können nicht das ganze Leben und die halbe Wirtschaft stilllegen, bis ein ausreichender Teil der Bevölkerung durchgeimpft ist. Schnelltests spielen eine entscheidende Rolle dabei, das Ansteckungsrisiko entscheidend zu senken und damit so rasch wie möglich große Schritte in Richtung Normalität zu ermöglichen“, betonte Steiger. „Die Kosten für Millionen von Tests sind im Vergleich deutlich geringer als die Milliardenkosten des Lockdowns."

Gleichzeitig lehnte der Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels Überlegungen für eine Testpflicht für Betriebe mit mehr als achtzehn Mitarbeitern ab. „Eine Testpflicht, bei der Unternehmer auch noch die Kosten für regelmäßige Testungen der gesamten Belegschaft tragen sollen, ist für viele mittelständische Unternehmen gerade in der wegen des Lockdowns angespannten wirtschaftlichen Lage nicht darstellbar“, betonte er.

Der deutsche Mode- und Schuhhandel sieht im Falle ausbleibender Öffnungen verheerende Auswirkungen auf den Einzelhandel. „Wenn Mode- und Warenhäuser sowie Schuh- und Lederwarengeschäfte nicht zeitnah noch im März wieder öffnen dürfen, werden Tausende Läden für immer geschlossen bleiben", warnten Textil-, Schuh- und Lederwaren-Verbände.

Thüringens CDU-Fraktionschef Mario Voigt erwartet, dass die Regierungschefs eine klare und verlässliche Perspektive für Bürger, Wirtschaft, Länder und Kommunen aufzeigen. „Die Bürger wollen den Corona-Frühling“, sagte Voigt unserer Redaktion. Deshalb sei jetzt ein Fahrplan wichtig, der das Licht am Ende des Tunnels sichtbar mache. Deshalb müsse die Botschaft des Treffens am Mittwoch eine „richtige Balance aus Gesundheitsschutz und dem Schutz der Gesellschaft vor den seelischen und materiellen Schäden der Krise“ sein. Beides müsse verantwortungsvoll in den Fokus der Debatte.

Angesichts großer Mengen von verfügbaren, von vielen aber abgelehnten AstraZeneca-Impfdosen sprachen sich mehrere Ministerpräsidenten für Lockerungen bei der Impfrangfolge aus. „Bevor es liegenbleibt, impfen wer will“, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU). Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erklärte, man könne es sich nicht leisten, dass Impfstoff herumstehe, weil Teile der Berechtigten ihn ablehnten. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) bezeichnete Priorisierungen als Mittel der Mangelverwaltung, das für AstraZeneca aufgehoben werden müsse.

Wie aus den aktuellen Tabellen des Robert-Koch-Institutes hervorgeht, wurden bis zum Wochenende 1,4 Millionen Dosen von AstraZeneca geliefert, aber lediglich 363.000 verimpft. Von Biontech wurden bislang 6,7 Millionen Dosen bereitgestellt, von denen 5,4 Millionen verimpft wurden, bei Moderna liegt das Verhältnis bei 336.000 zu 167.000.

FDP-Chef Christian Lindner forderte ein nationales Impfportal, um den Zugang zu Impfterminen zu erleichtern. Die Bürger hätten den Überblick verloren, wer wann wo geimpft werden könne. Viele warteten seit Wochen auf einen Termin. Für nicht genutzte Termine solle es eine Nachrückerliste geben.

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