Bundesanwaltschaft ermittelt War Deutschland Ausgangspunkt von US-Drohnen-Angriffen?

Berlin/Karlsruhe/Essen · Die möglichen Aktivitäten von amerikanischen Militärs und Geheimdienstlern in Deutschland beschäftigen weiter die Bundesanwaltschaft. Neben Vorermittlungen zu angeblichen Spähaktionen sind auch Drohneneinsätze der US-Streitkräfte möglicher Ermittlungsgegenstand.

Die Drohnen der Militärs
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Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte am Mittwoch auf dpa-Anfrage, bislang hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit ergeben. Die Prüfung sei aber noch nicht abgeschlossen.

Ausgangspunkt sind demnach Berichte, wonach US-Soldaten an den Standorten Stuttgart und Ramstein maßgeblich in die gezielte Tötung von Terrorverdächtigen in Afrika durch Drohnenangriffe eingebunden sind. US-Präsident Barack Obama hatte zwar versichert, Deutschland sei nicht "Ausgangspunkt" von Drohnenangriffen. Trotzdem prüfe der Generalbundesanwalt die völkerstrafrechtliche Relevanz der Vorwürfe und seine Zuständigkeit weiter, schrieb das Blatt.

Standorte:

Stuttgart (AFRICOM)

Das Oberkommando des US-Militärs für Afrika (AFRICOM) wurde 2007/2008 in Stuttgart neu eingerichtet. Von dieser Kommandozentrale aus werden Einsätze der US-Armee auf dem afrikanischen Kontinent, etwa Kampfeinsätze gegen radikale Islamisten und die Ausbildung von alliierten Truppen koordiniert. Die Einheit verfügt über eine Jahresbudgent von knapp 276 Millionen Dollar (gut 200 Millionen Euro).

Ramstein (USAFE)

Im rheinland-pfälzischen Ramstein liegt ein großer Luftwaffenstützpunkt der US-Streitkräfte, der in der Ära des Kalten Krieges von zentraler Bedeutung in der militärischen Konfrontation in Europa war. Dort befindet sich eine Flugleitzentrale mit bis zu 650 Mitarbeitern, die auch den afrikanischen Luftraum überwachen.

Die Einheiten in Stuttgart und Ramstein sind nach eigenen Angaben für Luftoperationen "in drei Kontinenten" und in "105 unabhängigen Staaten mit mehr als einem Viertel der Weltbevölkerung" verantwortlich.

Satelliten und Drohnen

Schon Ende Mai berichteten die "Süddeutsche Zeitung" und das NDR-Politmagazin "Panorama", US-Streitkräfte hätten tödliche Drohnenangriffe in Afrika möglicherweise auch über die deutschen Stützpunkte gesteuert. Über eine seit 2011 in Ramstein installierte Satellitenanlage halte der Pilot in den USA im Einsatzfall offenbar Kontakt zur Kampfdrohne im Luftraum über Afrika - und lenke sie zu den Menschen, die getötet werden sollen.

Drohnenangriff in Somalia

Drohnenangriffe werden häufig nicht öffentlich gemacht, die Auswirkungen von den Getroffenen nicht immer mitgeteilt. An diesem Montag wurde aber nach offiziellen somalischen Angaben ein ranghohes Mitglied der islamistischen Shebab-Miliz in Somalia von einer Drohne aus getötet. Das Innenministerium in Mogadischu teilte mit, getroffen worden sei Ibrahim Ali Abdi, der Drahtzieher mehrerer Selbstmordattentate. Ein US-Regierungsvertreter bestätigte ohne nähere Angaben einen US-Drohneneinsatz gegen die Shebab-Miliz.

Streit über Rechtmäßigkeit

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert Drohnenangriffe als Bruch des Völkerrechts und in bestimmten Fällen als Kriegsverbrechen. Mit dem Drohnenprogramm verleihe sich die US-Regierung selbt "eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert", erklärte die deutsche Amnesty-Sektion vor einer Woche.

Der Linken-Parteivize Jan van Aken sprach von einem "völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA", den Deutschland nicht unterstützen dürfe. Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, bezeichnete die Drohnen-Angriffe noch in der vergangenen Woche als "präzise, rechtmäßig und wirksam". Auch Obama selbst bezeichnete sie vor einigen Monaten als "legal, notwendig und gerecht".

Laut Bundesanwaltschaft sind tödliche Drohnenangriffe nur dann als Kriegsverbrechen zu bewerten, wenn der Getötete den Status eines in Kriegszeiten durch das humanitäre Völkerrecht geschützten Zivilisten besaß. Handelt es sich dagegen um Angehörige einer bewaffneten Gruppe, sei deren Tötung kein Kriegsverbrechen, sondern nach den Regeln des Konfliktvölkerrechts gerechtfertigt, heißt es in einer Entscheidung der Bundesanwaltschaft vom vergangenen Juli.

(dpa)
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