Verkleinerung des Bundestags Alleingang der Ampel

Meinung | Berlin · Eine Wahlrechtsreform ist überfällig. Die Pläne der Ampel-Koalition werden aber das umstrittene Thema nicht befriedigen. Die Regeln bleiben ein Ärgernis.

 Der Plenarsaal des Bundestages wird für die konstituierende Sitzung umgebaut (Symbolbild).

Der Plenarsaal des Bundestages wird für die konstituierende Sitzung umgebaut (Symbolbild).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Das deutsche Wahlrecht ist durch allerlei Absurditäten gekennzeichnet. Da gibt es Erst- und Zweitstimmen, die ein großer Teil der Wähler und Wählerinnen nicht so richtig durchschaut. Da existieren Überhang- und Ausgleichsmandate, die den Bundestag mächtig aufblähen. Und es kann sogar die groteske Situation eintreten, dass mehr Wählerstimmen für eine Partei in einem Landesverband zu weniger Abgeordnetensitzen im Bundestag führen. Ein solches Wahlrecht versteht niemand mehr.

Die Ampel-Koalition hat jetzt den x-ten Versuch gestartet, die Regeln der Bundestagswahl erneut festzuschreiben. Ziel: den Bundestag verkleinern und das Wahlsystem durchschaubarer zu gestalten. Und diesmal haben die Regierungsparteien gute Chancen, die Wahlrechtsreform auch zu realisieren. Am Donnerstag oder Freitag soll sie den Bundestag passieren. Der Rest wäre Formsache.

Leider ist der Ampel der große Wurf nicht gelungen. Denn auch das neue Wahlsystem zur Bestimmung des Bundestags hat schwerwiegende Mängel. Das fängt schon damit an, dass sich die demokratischen Parteien nicht über eine Reform einigen konnten. Die Schuld daran mag bei beiden Seiten liegen, der Ampel und der oppositionellen Union. Und auch die Linke dürfte kaum darüber begeistert sein, dass die sogenannte Grundmandatsklausel entfällt. Die besagt, dass drei Direktmandate die Fünf-Prozent-Hürde aushebeln können. Nur so kam die Linkspartei 2021 in den Bundestag.

Kern der Reform ist der Wegfall der Überhang- und Ausgleichsmandate. Die entstehen nach dem bisherigen Wahlrecht, wenn eine Partei mehr Direktmandate erhält, als ihr Abgeordnetensitze nach dem Wählerproporz zustehen. Und die müssen nach dem Votum des Bundesverfassungsgerichts bei den anderen Parteien ausgeglichen werden, um den Wählerwillen nicht zu verfälschen. Die Aufblähung des Bundestags auf zuletzt 736 Mandate war das Ergebnis. Damit soll nach dem Willen der Regierenden jetzt Schluss sein. Maximal darf es nur noch 630 Abgeordnete geben. Die Zahl der Wahlkreise wird mit 299 gleichbleiben, über die Landeslisten ziehen aber noch 331 Volksvertreter ins Parlament ein.

Schon dieses Ungleichgewicht stört. Gravierender bleibt, dass nicht jeder Gewinner oder jede Gewinnerin eines Direktmandats auch in den Bundestag einzieht. Das ist zwar nicht per se undemokratisch in einem System, das die Sitze prozentual nach Anteilen der Parteien in der Wählerschaft verteilt. Aber es schwächt die Basis der Parteien, die über die Bestimmung der Direktkandidaten und -kandidatinnen einen gewissen Einfluss nehmen. Das ist auch der Grund, warum die CSU als bayerische Regionalpartei der Reform unter keinen Umständen zustimmen will.

So richtig es ist, den Bundestag zu verkleinern, den Verlust an innerparteilicher Demokratie ist diese Reduzierung um jetzt 106 Abgeordnete nicht wert. Die Reform stärkt die Hinterzimmer, die über die Landeslisten entscheiden. Dass der Sieger oder die Siegerin eines Wahlkreises nicht automatisch in den Bundestag einzieht, stört überdies die Verbindung zwischen Parlament und Wählenden. Eine echte Reform sieht anders aus.

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