Erste Debatte im Bundestag zu geplanter Reform Wahlrecht: Ampel-Fraktionen blicken möglicher CSU-Klage gelassen entgegen
Berlin · An diesem Freitag befasst sich der Bundestag erstmals mit den jüngsten und weitreichenden Reformplänen für das Wahlrecht. Das Ziel: Das Parlament verkleinern. Der Streit zwischen Ampel- und Unionsparteien ist erbittert. Klärung wird es wohl erst nach einer Verfassungsklage geben.
Vor der ersten Bundestagsdebatte über eine Verkleinerung des Parlaments zeichnet sich weiterhin kein Kompromiss zwischen den Ampel-Fraktionen und der Union ab – obwohl beide Seiten weiterhin ihre Gesprächsbereitschaft signalisieren. „Eine Einigung zwischen Ampel-Koalition und Union über eine Wahlrechtsreform ist möglich. Ein breit getragener Beschluss über eine Parlamentsverkleinerung unter Einbindung der größten Oppositionsfraktion wäre ein großer Gewinn“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. Allerdings dürften CDU und CSU dafür nicht auf einem Wahlrecht bestehen, das ihr einseitige Vorteile ermögliche, die über das Wahlergebnis hinaus gingen, so Kuhle. „Es ist begrüßenswert, dass die Union einen eigenen Antrag vorlegt. In der Sache enthält er aber vor allem mit dem Vorschlag unausgeglichener Überhangmandate inakzeptable Vorteile für die Union“, sagte der FDP-Politiker.
Der Bundestag berät an diesem Freitag in erster Lesung über den Reformvorschlag der Ampel-Koalition. Er sieht vor, die bisher üblichen Überhangs- und Ausgleichsmandate abzuschaffen und so zu garantieren, dass die gesetzlich festgelegte Regelgröße des Bundestags von 598 Mitgliedern nicht mehr überschritten wird. Derzeit hat das Parlament 736 Mitglieder.
Die Union lehnt das Ampel-Konzept ab. Sie stört sich vor allem daran, dass mit dieser Reform ein im Wahlkreis direkt gewählter Politiker nicht mehr zwingend in den Bundestag einziehen würde. Die Union sieht eine Selbstverpflichtung des Bundestags vor, das Wahlrecht anhand bestimmter Vorgaben zu reformieren. Demnach soll die Zahl der Wahlkreise von aktuell 299 auf 270 sinken. Damit gäbe es 270 direkt gewählte Abgeordnete; 320 weitere Bundestagssitze sollen über die Zweitstimme vergeben werden. Es sollen bis zu 15 Überhangmandate möglich sein, ohne dass diese bei den anderen Parteien ausgeglichen würden.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte auf Anfrage: „Die Ampel hat einen mutigen Vorschlag zur Reform des Wahlrechts vorgelegt, wodurch der Bundestag nie mehr als 598 Abgeordnete haben wird. Zudem ganz wichtig: Keine Partei wird mehr einseitig bevorzugt.“ Eine solche Reform sei mit der CSU nicht möglich gewesen. „Gut dass die Ampel jetzt eine Reform auf den Weg bringt, die unter 16 Jahren Merkel nicht möglich war“, sagte Wiese.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte am Dienstag eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt, wenn die Ampel-Koalition unverändert bei ihrem Vorschlag für eine Wahlrechtsreform bleiben sollte. SPD-Fraktionsvize Wiese gab sich gelassen: „Einer möglichen Klage von CDU/CSU vor dem Bundesverfassungsgericht blicken wir ruhig entgegen. An der Reform haben unterschiedliche sehr erfahrene Verfassungsrechtler mitgewirkt, deren Ratschläge wir verantwortungsvoll umgesetzt haben“, sagte er.