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Abgeordnetenhauswahl In Berlin stehen die Zeichen auf Rot-Rot-Grün

In Berlin verlieren SPD und CDU deutliche Stimmenanteile an die AfD und die Linkspartei. SPD-Bürgermeister Michael Müller kann weiterregieren, muss dafür aber erstmals ein Dreierbündnis eingehen.

 Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel gratuliert seinem Parteifreund, dem Wahlsieger Michael Müller.

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel gratuliert seinem Parteifreund, dem Wahlsieger Michael Müller.

Foto: AFP

Fünf Minuten vor 18 Uhr wissen sie bei der CDU schon, dass ein Debakel auf sie zukommt. "Ein Henkersbierchen!", sagt ein CDU-Mitglied und prostet einem Parteifreund bitter zu. Kurz nach 18 Uhr steht fest: Die CDU hat deutlich gegenüber der letzten Wahl verloren und liegt nur noch knapp auf Platz zwei vor den Linken. Im neuen Senat wird sie damit aller Voraussicht nach nicht mehr vertreten sein. "Das ist für uns eine bittere Niederlage, und sie hat nicht nur mit Merkels Flüchtlingspolitik zu tun", sagt Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).

Im anderen Flügel des Berliner Abgeordnetenhauses sind sie ähnlich enttäuscht. Auch hier bei der SPD herrscht nach den ersten Prognosen eine gedämpfte Stimmung. Die Sozialdemokraten verlieren ebenso deutlich, landen weit unter dem Ergebnis von 2011. Immerhin: Die SPD wird erneut stärkste Kraft und kann mit Michael Müller wieder den Regierenden Bürgermeister stellen. "Das Ergebnis ist nicht optimal. Wir hätten uns mehr gewünscht, aber die SPD bleibt die führende Kraft im linken Lager", sagt SPD-Mitglied Dominic Steinrode.

Diese Berlin-Wahl ist ein Menetekel für beide Volksparteien. Die CDU verliert vor allem an die AfD, die aus dem Stand ein prozentual zweistelliges Ergebnis erreicht, und an die FDP, die mit 6,7 Prozent wieder ins Abgeordnetenhaus einzieht. Auch die SPD dürfte Stimmen an die AfD abgegeben haben. Ebenso wird die Linkspartei von der Wählerwanderung im linken Lager profitiert haben. Als einzige etablierte Partei kommen die Grünen mit einem blauen Auge davon und verlieren gegenüber 2011 nur leicht. Ein Aufatmen immerhin gibt es bei allen Parteien im Abgeordnetenhaus: Die Alternative für Deutschland gewann nicht so viele Stimmen, wie erwartet wurde.

Bei der CDU üben sie sich derweil in Selbstkritik: "Diese Niederlage hat auch mit dem Streit der Schwesterparteien CDU und CSU zu tun. Streit mögen die Leute nicht", sagt Justizsenator Heilmann. Doch auch in der großen Koalition gab es in den vergangenen zwei Jahren viel Streit. Der Regierende Bürgermeister hatte die CDU wiederholt als koalitionsunfähig gebrandmarkt. "Die etablierten Parteien haben massiv verloren. Das ist eine krasse Nachricht. Was die Bürger jetzt nicht wollen, ist, dass wir sagen: Es lag nicht an uns", sagt Heilmann.

Schon seit der Wahl Anfang September in Mecklenburg-Vorpommern, bei der die Union sogar hinter der AfD auf dem dritten Platz landete, herrschte in der Berliner Parteizentrale Alarmstimmung, und nun kommt diese weitere krachende Niederlage hinzu. CDU-Chefin Angela Merkel steht unter erheblichem Druck, viele machen ihre Flüchtlingspolitik für den Niedergang verantwortlich.

Es war aber nicht allein dieses Thema, das die Berliner CDU Stimmen gekostet hat. Innensenator Frank Henkel (CDU) warb zwar mit mehr Sicherheit, strahlte sie selbst aber kaum aus. Im August machte er mit der Hardliner-Forderung nach einem umfassenden Burka-Verbot und einem Ende der doppelten Staatsbürgerschaft bundesweit auf sich aufmerksam. In einer linken Stadt wie Berlin, in der auch Hunderttausende stimmberechtigte Deutschtürken leben, kam das nicht gut an.

Doch wie ein strahlender Sieger sieht auch Michael Müller nicht aus, obwohl die SPD wieder stärkste Kraft wird. Müller startete Ende 2014 als Nachfolger von Klaus Wowereit mit traumhaften Beliebtheitswerten, die bis zu seiner ersten Wahl aber deutlich sanken. Der 51-Jährige musste für die SPD um jeden Prozentpunkt kämpfen. Jetzt setzt die SPD auf einen Wechsel, auf ein fragiles Bündnis mit Grünen und Linkspartei. "Wir sollten jetzt Rot-Rot-Grün den Vorzug vor einer Ampel mit Grünen und FDP geben, um damit ein Wechselsignal für 2017 im Bund zu geben", sagt Steinrode. Rot-Rot-Grün ist also wahrscheinlich - entsprechend gut ist die Stimmung bei den Grünen. Seit 2002 waren die Grünen in der Landesregierung nicht mehr vertreten, jetzt wollen sie unbedingt wieder mitregieren. Für Rot-Schwarz-Grün stehe man nicht zur Verfügung, machte Spitzenkandidatin Ramona Pop am Abend deutlich. Der Wählerauftrag sei klar: Rot-Rot-Grün sei die Koalition, die die Mehrheit der Berliner wolle.

(mar)
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