Wahl des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Wie CDU und SPD das perfide Spiel der AfD begünstigen

Meinung · Erst im dritten Wahlgang wurde der CDU-Kandidat Kai Wegner Stadtoberhaupt in Berlin. Die AfD behauptet, das sei nur ihren Stimmen zu verdanken. Parallelen zum Fall Kemmerich in Thüringen drängen sich auf.

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, ernennt Franziska Giffey (SPD) im Roten Rathaus zur Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, ernennt Franziska Giffey (SPD) im Roten Rathaus zur Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

Foto: dpa/Annette Riedl

Das war wieder eine Steilvorlage für die rechtspopulistische AfD. Weil der CDU-Politiker Kai Wegner bei zwei Wahlgängen im Berliner Abgeordnetenhaus nicht die notwendige Mehrheit der Stimmen als Regierender Bürgermeister der Hauptstadt erhielt, brüstete sich der Rechtsausleger damit, dem Christdemokraten beim dritten und erfolgreichen Wahlgang mit seinen Stimmen ausgeholfen zu haben. Das erinnert sogleich an den Fall des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, der in Thüringen nur dank des dort rechtsextremen AfD-Landesverbands 2020 für kurze Zeit Ministerpräsident wurde – und eine Regierungskrise auslöste.

Kai Wegner – Berliner Bürgermeister von Gnaden der AfD, wie die Populisten jetzt tönen? Nichts wäre so falsch wie das. Denn erstens war der Christdemokrat im dritten Wahlgang auf die Stimmen der AfD gar nicht angewiesen. Nach der Verfassung des Landes Berlin hätte eine einfache Mehrheit ausgereicht. Er hätte nur mehr Ja- als Neinstimmen gebraucht. Die hatte er aber trotz möglicher Gegenstimmen aus dem Lager der SPD (und vielleicht auch von der eigenen Partei). Denn in den Wahlgängen zuvor hatte Wegner immer eine eigene relative Mehrheit. Deshalb sind auch Parallelen zu Kemmerich und Thüringen abwegig. Denn der ostdeutsche Liberale war auf die AfD angewiesen, um Ministerpräsident zu werden. Das war Wegner zu keiner Zeit.

Und zweitens lässt sich bei einer geheimen Wahl nicht feststellen, wer wirklich für Wegner gestimmt hat. Die Behauptung der AfD kann auch einfach eine Täuschung sein. Beim Täuschen, Tarnen und Tricksen sind die Rechtspopulisten ja wahre Meister. Kai Wegner ist Regierender Bürgermeister von Berlin geworden, weil er trotz Querschüssen aus dem Koalitionslager eine eigene Mehrheit besitzt.

Der Start des Christdemokraten ist dennoch verhagelt. Denn er kann nun zahlenmäßig sehen, dass ihm die SPD auch in der Fraktion nur zum Teil folgt. Die Durchsetzung einer neuen Politik mit mehr Kriminalitätsbekämpfung und einer stärkeren Förderung der heimischen Wirtschaft dürfte schwerer werden als bislang gedacht. Wegner kann sich auf die beiden Führungspersonen der Berliner SPD, Raed Saleh und Franziska Giffey, nur bedingt verlassen. Er muss mit weiteren Störmanövern rechnen. Eine schwere Hypothek für einen Neubeginn in der Hauptstadt des Chaos.

Und noch eine Lehre sollten alle demokratischen Parteien aus dieser Wahl ziehen. Sie müssen ihre Politik transparenter und nachvollziehbarer machen. Giffey und Saleh haben zu wenig für die neue Konstellation, die für Berlin ja richtig ist, geworben und geackert. Sie dachten, sie kämen im Schlafwagen ans Ziel und könnten sich so ihre Posten sichern. Das rächt sich jetzt. Die unterlegene Seite der SPD wiederum sollte bedenken, dass Machtspielchen im Angesicht einer starken rechtspopulistischen bisweilen auch rechtsextremen Partei wie der AfD sich sofort rächen. Sie schwächen mit ihren Querschüssen gegen einen ungeliebten Kandidaten nicht nur die CDU, sondern die Demokratie insgesamt. Zu deren Wesen gehört es, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Sonst ist das System insgesamt gefährdet.

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