Vorschlag des Saarlandes Was hinter der Idee einer Länderfusion steckt

Berlin · Ausgerechnet die saarländische Ministerpräsidentin bringt Länderfusionen ins Gespräch: Bald könnte es nur sechs bis acht Länder geben. Unrealistisch, aber Kramp-Karrenbauer stärkt ihre Position bei den Finanzverhandlungen. Und NRW befürwortet den Vorschlag.

 Annegret Kramp-Karrenbauer ist Ministerpräsidentin des Saarlandes.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist Ministerpräsidentin des Saarlandes.

Foto: dpa, tba sab

"Der Saarländer", sagt Annegret Kramp-Karrenbauer im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", "hat ein pragmatisches Verhältnis zum Geld." Er sei nie reich gewesen und habe gelernt, "sich zu organisieren", meint die saarländische Ministerpräsidentin. Geld gebe es in ihrer Heimat "nicht in Hülle und Fülle", ihre Landsleute lebten in "normalen Verhältnissen", und wer mit viel Geld protze, komme nicht gut an. Die CDU-Politikerin plaudert noch ein bisschen mehr über Geld, ihr Sparschwein, die erste Jeans (Marke Wrangler, weil die günstiger war) und ihre erste Langspielplatte, die sie sich als Teenager vom Ersparten gekauft hat.

Plötzlich wechselt das Gespräch zu einem ernsteren Thema. Vom beschaulichen Dasein der Regierungschefin zur weniger beschaulichen finanziellen Situation des Saarlandes, das erst 1957 der Bundesrepublik beigetreten ist. Ihr Land könne die Schuldenbremse ab 2020 nur dann dauerhaft einhalten, wenn es seine immensen Altschulden loswerde, sagt die Frau, die nur "AKK" genannt wird.

Bei den laufenden Bund-Länder-Verhandlungen über die Neuordnung der Finanzbeziehungen will sie daher eine Altschuldenregelung im Länderfinanzausgleich durchsetzen. Komme es dazu nicht, drohten die Verhandlungen zu scheitern. Und dann kommt's: "Wir würden dann darüber reden müssen, wie wir uns in Deutschland insgesamt zukunftsfähig aufstellen, konkret, ob es künftig nur sechs oder acht Bundesländer gibt statt der bisherigen 16 Länder."

Volksentscheid als Voraussetzung

Das hatten wir noch nie, dass ausgerechnet ein(e) saarländische(r) Regierungschef(in) bereit zu sein scheint, die Eigenständigkeit des eigenen Landes zu opfern. Aber "AKK" tut das ja auch nicht wirklich, sie weiß selbst, dass es zu einer Länderfusion des Saarlandes etwa mit Rheinland-Pfalz nicht kommen wird. Das könnte es nur, wenn sowohl die Saarländer als auch die Rheinland-Pfälzer in Volksentscheiden für die Fusion stimmen würden. Das schreibt das Grundgesetz vor.

Gewinnen lassen sich die Volksentscheide nur, wenn alle Bürger im Zusammengehen ihrer Länder Vorteile sähen. Dass sich die auch nicht besonders reichen Rheinland-Pfälzer das noch ärmere Saarland einverleiben würden, ist unwahrscheinlich. Umgekehrt werden die Saarländer auch nicht auf die Sonderhilfen des Bundes und der Länder verzichten wollen, die ihnen die besondere "Strukturschwäche" als kleines Bundesland nach dem Verlust der Montanindustrie beschert.

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Erst einmal ist eine Länderfusion in der BRD gelungen: Drei Jahre nach ihrer Gründung schlossen sich 1952 Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu Baden-Württemberg zusammen. 1996 scheiterte der Versuch einer Fusion der Länder Berlin und Brandenburg am Veto der Brandenburger. Die wollten sich Berlins Schuldenlast nicht aufbürden. Die Hauptstädter dagegen waren offen für eine Fusion, denn Brandenburg vereinnahmt eine Menge Steuern im Berliner Speckgürtel von Leuten, die ihren Arbeitsplatz in der Hauptstadt haben. "Berlin bleibt offen für eine Länderfusion mit Brandenburg, die Vorteile für die Region hätte", sagt Berlins Regierungssprecher. "Sie steht derzeit aber nicht auf der Tagesordnung, weil Brandenburg die Fusion nicht will."

Ökonomen für Zusammenlegung

Was politisch unrealistisch ist, wird von Ökonomen trotzdem gefordert. Es ist Konsens in der Zunft, dass die Reduzierung der Bundesländer auf nur noch sechs bis acht von großem volkswirtschaftlichen Vorteil wäre. Weniger Länder bedeuten geringere fiskalische Kosten durch Wegfall der Landesverwaltungen. Der bürokratische Aufwand, mit dem Bürger und Unternehmen wegen der unterschiedlichen Bestimmungen in den Ländern leben müssen, würde verringert. Es gebe nicht 16 verschiedene Energiewenden, sondern nur sechs, nicht 16 Schulsysteme, sondern nur sechs — und so weiter.

"Wenn kleine Länder fusionieren wollen: bitteschön. Die Meinungsbildung im Länderkreis würde bei weniger Ländern mit Sicherheit einfacher. Schaden kann es nicht — erst recht nicht aus Sicht des größten Bundeslandes", sagt NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Die Erwartung, dass sich dabei eine hohe Kostenersparnis erzielen ließe, teilt er nicht: "Die Probleme des Saarlandes würden doch nicht kleiner, wenn es Teil von Rheinland-Pfalz wäre, sie wären nur nicht so sichtbar." Statt einer Landesregierung gäbe es eben eine Bezirksregierung.

Nächste Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember

Bremens Bürgermeister wird noch deutlicher: "Das Thema Länder-Neugliederung steht nicht auf der Tagesordnung", sagt Jens Böhrnsen (SPD). Die letzte Ministerpräsidentenkonferenz habe "klargestellt, dass es Hilfen geben wird, die an besonders hohe Belastungen durch Altschulden in den Ländern anknüpfen. Bremen und das Saarland wurden ausdrücklich genannt", so das Bremer Stadtoberhaupt.

"Darum muss es auch in Berlin bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz gehen, mit deutlichen Entlastungen bei den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose oder der Eingliederungshilfe für Behinderte." Auch die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hat sich gegen eine verordnete Fusion ausgesprochen.

Die von Böhrnsen erwähnte Konferenz der Länderchefs bei der Bundeskanzlerin am 11. Dezember hat auch "AKK" im Blick. Bei den Bund-Länder-Verhandlungen über die Neuordnung der Finanzbeziehungen will sie erreichen, dass das Saarland spätestens ab 2020 finanziell besser dasteht als bisher. Die Gespräche der Finanzminister sind ins Stocken geraten, Beschlüsse der Chefs sind im Dezember nicht mehr zu erwarten. Doch Kramp-Karrenbauer mahnt ihre Kollegen zur Eile: "Heute entscheidet über unseren Landeshaushalt nicht nur der Landtag, sondern auch der Stabilitätsrat in Berlin. Aus dieser Situation will ich raus. So schnell wie möglich."

(mar)
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